Stefan Schramm und Christoph Walther im Gespräch mit Doris Kleinau-Metzler

Lachen im Duett – «Zärtlichkeiten mit Freunden»

Nr 161 | Mai 2013

Lachen und Zärtlichkeiten! Mindestens zwei, die sich mögen, gehören dazu, damit man sich ergänzen, steigern kann – bis man nicht mehr kann vor Lachen. Aber je älter, je erwachsener wir werden, umso weniger taucht diese Nähe ohne Worte in unserem Alltag auf. Zum Glück gibt es diese zwei Jungs aus dem «Osten», aus Riesa, die sich seit dem Kindergartenalter kennen, Stefan Schramm und Christoph Walther. Sie wissen, dass zu jeder guten Beziehung mehr gehört, als immer nett und zart zueinander zu sein (klappt ja doch nicht). Clown-Kunst pur ist, wie Ines Fleiwa und Cordula Zwischenfisch (Namen sind Quatsch und Rauch) es mit Gitarre und Schlagzeug schaffen, den Raum zwischen Ich und Du auf der Bühne zu beseelen (mit Wuschelperücken als Rotnasen-Ersatz): Die Rechthabereien, die spitzen Bemerkungen, die stummen Blicke – so banal und nicht nacherzählbar wie unser Alltag. Doch ihr Spiel mit Stimmkraft und Stille, mit minimaler Verkleidung und einfachen Gesten, es trifft mitten ins Herz, berührt, ohne zu beschämen. Wir lachen über «die da», über uns, egal über wen und warum. Und wenn dann monatlich per E-Mail ein «Liebesbrief» kommt (den man real schon lange nicht mehr bekommt) samt Tipps zur Nachhaltigkeit, dann ist das wie eine rote Nase am Horizont: Achtung, Leben und Lachen!

Doris Kleinau-Metzler | Herr Schramm, Herr Walther, wie sind Sie auf diesen Namen gekommen: «Zärtlichkeiten mit Freunden»?
Christoph Walther | Wir haben da auf ein altbewährtes Prinzip zurückgegriffen, so wie die Gruppe ABBA. Nur, dass wir nicht die Anfangsbuchstaben unserer Namen genommen haben, sondern die von Ländern. Zypern, Äthiopien, Ruanda, Tansania, Liechtenstein, Island, Chile, Honduras, Kenia, Equador, Indien, Traktor, Emil, Nordpol …
Stefan Schramm | (lacht) Erzähl doch bitte, wie es wirklich war.
CW | 1999 – ich hatte gerade meinen Zivildienst beendet und überlegt, ob ich vielleicht Schlagzeug studieren sollte. Mein Zivildienst­chef fragte, ob ich auf einer Schiffstaufe für ein neues Elbe-Schiff der Marinekameradschaft Riesa für die Unterhaltung sorgen könne; 400 Mark gab’s dafür. Das war viel Geld damals. Stefan hatte schon öfter zur Gitarre auf irgendwelchen Feuerwehrfesten gesungen und eine dicke Mappe mit Hits. Also haben wir in meiner Küche aus be­sagter Mappe die beklopptesten Lieder rausgesucht. Wir haben uns, nennen wir es ruhig, «Showeinlagen» ausgedacht, denn zwischen den Songs sollte ja auch noch etwas passieren. Dafür habe ich mir bei meiner kleinen Nichte ihren gebastelten Feenhut geborgt und von meinem Neffen ein Schwert und andere Dinge. Über diese Schiffstaufe kam dann ein Bericht in unserem Stadtfernsehen, Riesa TV, unter­brochen von Werbeblöcken, unter anderem für eine schöne CD-Sammlung mit dem Namen «Schlagerzärtlichkeiten». So kamen wir zu dem hochinteressanten Bandnamen.

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Fotos: © Tilo Schmidt | www.fantastic-images.de

DKM | Wie haben Sie sich kennengelernt?
StS | Wir kennen uns eigentlich schon immer. Unsere Eltern haben ab und zu zusammen bei Tante Renate im Garten gefeiert, und da wir noch klein waren, mussten wir miteinander spielen. Später haben wir uns dann etwas aus den Augen verloren. Wir sind beide in die Musikschule gegangen, Christoph am Schlagzeug; ich hab erst Flöte und Trompete gelernt und später dann Gitarre. Unser erster gemeinsamer Auftritt bei besagter Schiffstaufe ist damals recht gut angekommen, und wir wurden für andere Feste bei Vereinen und für Jubiläen gebucht. Unser Spiel als Zärtlichkeiten mit Freunden hat sich dann immer weiter entwickelt. Aus Pannen und Sachen, die nicht so gut ankamen, haben wir gelernt.

DKM | Hatten Sie bald vor, das Ganze beruflich zu machen?
CW | Erstmal nicht. Nein, wir konnten uns kaum vorstellen, dass man von so etwas leben kann. Wir wussten damals nicht mal, was Kabarett und Comedy genau ist, kannten ja nur einen Hauch vom alten DDR-Kabarett, und Satellitenfernsehen zum Comedygucken hatten meine Eltern auch nicht. Wir haben dann brav studiert, Stefan Elektrotechnik in Dresden, weil er gern lötet, und ich Sprechwissenschaft in Halle, weil mich neben der Musik alles, was mit gesprochener Sprache zu tun hat, interessiert. In dieser Zeit haben wir aber immer gespielt. Andere sind kellnern gegangen, wir haben Quatsch gemacht.
StS | Irgendwann bei einem Auftritt im Dresdner Studentenclub Aquarium hat uns dann der Kurator vom Cottbuser Studenten-Kabarett-Festival entdeckt und uns, weil er uns klasse fand, ohne uns zu fragen, für sein Festival fest gebucht. Also sind wir hinge­fahren. Wir waren ziemlich aufgeregt, denn mit Ankündigung im Programmheft, mit festgelegter Spieldauer – das Publikum hatte Eintritt bezahlt – wurde es ernst. Ich hab mich wirklich gefragt:
Ob das gut geht, werden wir ausgepfiffen – weil wir ja gar kein Kabarett machen? Wir haben aber nichts im Programm umgestellt, wir konnten ja nichts anderes!

DKM | Und wie war die Reaktion des professionellen Publikums?
StS | Es war eine Superstimmung in Cottbus. Eigentlich sollten wir nur 45 Minuten spielen, als ich auf die Uhr schaute, war es schon viel später und wir fragten das Publikum, ob wir weitermachen
sollen – und wir sollten. Dieser Auftritt hat uns dann den Weg auf die kleinen Kabarettbühnen dieser Welt geebnet, von Hannover über Bielefeld bis nach Darmstadt und Freiburg. Das waren schon abenteuerliche Unternehmungen: erst mit einem Trabi, später mit meinem Fiat Uno und Christophs altem Polo, natürlich ohne Navi, aber mit der ganzen Ausstattung samt Schlagzeug und Gitarre.
CW | Es ist bis heute eine tolle Sache, wenn Publikum kommt und es gute Rückmeldungen gibt, wir das Gefühl haben, Leuten wirklich Freude zu machen – und bewegend, wenn jemand sagt: «Ich hatte eine schlimme Woche, aber das jetzt zwei Stunden vergessen, weil ich so viel gelacht habe.»

DKM | Ihr Programm wirkt leicht und locker, wie zufällig. Vom Clown weiß man, dass er nicht zufällig stolpert, sondern dass Können und Absicht dahinterstehen – und Verständnis für unser Scheitern an uns selbst und den Tücken des Alltags.
CW | Ja, aus banalen Dingen werden kleine Geschichten, je ein­facher, umso besser. Wir behandeln ja kein besonderes Thema, sondern spielen und spiegeln eher das Zwischenmenschliche. Wobei – ab und an streuen wir auch ein bisschen Politisches ein.
StS | Es kann immer Momente im Programm geben, wo irgendwelche Störungen oder Pannen eintreten, mit denen wir dann umgehen müssen. Meistens entsteht daraus etwas neues Lustiges. Wir sprechen viel über unsere Arbeit. Und lernen weiter, da wir ja alles für unsere Auftritte selbst machen – von den Texten über die Regie bis zum Management.
CW | Wir wussten manchmal gar nicht, warum etwas komisch oder berührend wirkt. Ich habe vorher in einigen Theatergruppen gespielt, von Brecht über Schwitters bis Kindertheater, und auch das Studium, was ja irgendwie ein halbes Theaterstudium war, hilft da natürlich, vieles zu verstehen und umzusetzen.

DKM | Wie ging der Weg nach dem Studium denn weiter?
StS | Durch die vielen Auftritte hat sich bei uns beiden der Studien­abschluss etwas hinausgezögert, war aber letztlich erfolgreich. Um bekannter zu werden, haben wir uns 2006 bei verschiedenen Comedy- und Kabarettpreisen beworben und die meisten auch ge­wonnen. Insgesamt gab es immer mehr Auftrittsangebote, vor allem nach unserem ersten Fernsehauftritt 2006 bei Ottis Schlachthof. Zu größerer Bekanntheit hat uns auch unser Auftritt bei TV-Total verholfen, und bei der Kulturbörse Freiburg 2007 hatten wir einen erfolgreichen Kurzauftritt, von dem wir bis heute zehren.

DKM | In Ihren Newslettern, den «Liebesbriefen», wie auch in den Bühnenauftritten gehen Sie auch auf Besonderheiten des jeweiligen Auftrittsortes ein.
CW | Ja, weil uns die Orte, in denen wir spielen, interessieren. Wir wollen wissen, was die Menschen dort bewegt, wie sich der Dialekt anhört, welche Geschichte der Ort hat, welcher Irrsinn dort vielleicht herrscht. Ich frage vorher oft den Techniker oder jemanden, der im Ort wohnt, aus. Wir kokettieren mit unserem regionalen Halbwissen, spotten ein bisschen, aber es ist eigentlich auch immer eine Wertschätzung für den Ort, in dem unser Publikum lebt.

DKM | Und immer mal wieder taucht Riesa auf, die Stadt zwischen Leipzig und Dresden. Was bedeutet Ihnen Heimat?
StS | Ich betrachte mich als heimatverbunden und fühle mich in Riesa sehr wohl, auch wenn es vielleicht nicht die allerschönste Stadt der Welt ist. Es gibt in Riesa ein paar Stellen, wenn ich da vorbeifahre – es klingt jetzt über­trieben –,
da blüht mein Herz auf. Kurz vor dem Ortseingang steht ein herrlicher Baum ganz allein auf dem Feld, und es ist immer wieder schön, nach langer Tour nach Hause zu kommen und diesen Blick zu genießen.
CW | Ich habe auch so einen Baum. Meiner steht an der Elbe. Heimat ist noch mehr als sich wohlfühlen, was man auch woanders kann. Heimat ist, wo man verstanden wird, und zwar bis in jede Nuance, wo Familie ist, wo Freunde sind und man Leute kennt, auf die man zählen kann.

DKM | Am Ende des Auftritts und im Internet weisen Sie auf mehrere Möglichkeiten hin, sich für ökologische und soziale Projekte zu engagieren. Warum?
CW | Wenn man einmal auf etwas aufmerksam geworden ist, wo Menschen oder Tiere leiden müssen, auch weil wir so vieles völlig selbstverständlich konsumieren, dann ist das, als wenn man an einem Faden zieht und plötzlich diesen ganzen Rattenschwanz von Ungerechtigkeiten entdeckt. Du siehst: Nicht alle Menschen haben Zugang zu sauberem Wasser, und Wasser wird mehr und mehr privatisiert – und entdeckst dabei z.B. die Organisation Viva con Agua. Dann ziehst du weiter an diesem Faden und kommst zu Landenteignung, Regenwaldrodung, Monokulturen, gentechnisch verändertem Saatgut und siehst die Rolle der multinationalen Konzerne – und deine eigene bei diesem Prozess – und entdeckst so die Organisation Rettet den Regenwald. Du erkennst, dass Schokolade nur durch Kinderarbeit und Kindersklaverei so billig sein kann – und du kommst zwangsläufig zum Fairen Handel. Wir unterstützen besonders die Aktion Rettet den Regenwald, die aufzeigt, wie Menschen von ihrem Land vertrieben werden, damit dort z.B. Palmöl-Plantagen entstehen (Palmöl ist in vielen Produkten, die wir kaufen), und wie dafür Elefanten und Orang Utans abgeschlachtet werden. Und wenn man davon weiß, kann jeder entscheiden: Ja, ich handle – oder nicht. Dieses Engagement gehört mittlerweile zu unserem Leben und damit auch zu unserem Bühnenschaffen und unserer Fanarbeit – wobei wir es nie allzu moralisch angehen.

DKM | Was macht Zärtlichkeiten mit Freunden in der nahen Zukunft – und in 50 Jahren?
StS | In 50 Jahren sind wir ja schon über 80 Jahre alt. Vielleicht stehen wir nur noch dreimal im Monat auf der Bühne. Und wir haben endlich einen Techniker, der für uns auf- und abbaut.
CW | Etwas Besonderes ist unser Benefiz-Auftritt am 2. Juni in Berlin im Theater Die Wühlmäuse. Die Hälfte der Einnahmen geht an namu Art for Life Network e.V., ein Berliner Verein, der Musical­aufführungen für Kinder in Krankenhäusern und Hospizen spielt. Eine tolle Sache.