Jane Powers

Kreise und Kreisläufe

Nr 160 | April 2013

Es fällt mir schwer, meine Art zu gärtnern kurz und bündig in Worte zu fassen. Man kann sie «biologisch» nennen, weil ich weder synthetische Pestizide noch Kunstdünger einsetze, und sie ist «tierfreundlich», da ich mir große Mühe gebe, den Garten einladend für Vögel, Bienen und anderes Getier zu gestalten. In gewisser Weise ist mein Tun auch «nachhaltig» und «grün», weil ich so viel wie irgend möglich wieder- und weiterverwende, wo immer es geht regionale Produkte kaufe und mich rechtschaffen bemühe, ein guter Bewohner dieses Planeten zu sein. Doch sind diese Bezeichnungen alle etwas schwammig, überstrapaziert und riechen ein bisschen zu sehr nach «Gut-Mensch», um sie unter der Überschrift: «Schau her, so mach ich es und so sollst du es auch machen!» vorzustellen. Und gewiss würden zertifizierte Bio-Anbauer und Nachhaltigkeitsweltmeister auch so manche undichte Stelle in meiner Praxis ausfindig machen. Die Grenzen meines Ein-Sechstel-Morgen-Stadtgartens und ein notorisch unzureichendes Quantum an Zeit- und Kraftaufwand vereiteln jegliche Aussicht auf einen grünen Heiligenschein für jetzt und alle Zeit. Doch ehrlich betrachtet trifft das für jeden von uns in gleicher Weise zu – zumindest für alle, die in einem Industrieland leben.

Kreislaufdenken

Vergleichsweise leicht kann ich aber feststellen, dass ein Gutteil
meiner gärtnerischen Tätigkeit etwas mit offenen Augen für Kreisläufe zu tun hat. Und der offensichtlichste ist der Kreislauf oder Zyklus des Lebens – letztendlich ist ein Zyklus ja nichts anderes als ein Kreislauf in der vierten Dimension, der Zeit. Besonders rund ist der zuvor schon angesprochene Kreislauf: Was wir gepflanzt haben, wird kompostiert, sobald es sich erschöpft hat, und den Kompost arbeiten wir als Nährstoff für die nachfolgende Pflanzengeneration wieder in die Erde ein. Und so immerfort. Kreis um Kreis.
Es gibt eine ganze Reihe solcher Kreisläufe: zum Beispiel dort, wo wir den Grasschnitt als Unkraut unterdrückenden und Feuchtigkeit haltenden Mulch wiederverwerten, wenn wir das Herbstlaub für die Anzucht von Waldpflanzen zu Laubkompost reifen lassen oder dürrem Reisig als Stütze für krautige Pflanzen zu neuem Dasein verhelfen. Wasser – sowohl Regenwasser als auch mäßig verun­reinigtes häusliches Abwasser – kann weiterverwendet werden. Für viele Dinge, die wir im Haus benutzen, findet sich draußen ein neuer, sinnvoller Einsatz. Durchsichtige Getränke-Plastikflaschen geben gute Schutzhauben für empfindliche Sämlinge ab. Korken lassen sich als puffernder Abschluss auf Bambusstützstäbe spießen und bewahren uns vor dem Verlust eines Augapfels. Manche Leute bepflanzen ausgediente Toilettenschüsseln und ihre Gummistiefel mit bunt leuchtenden Einjahresblumen – zu denen gehöre ich zwar nicht, wie ich gestehen muss, doch jeder nach seiner Façon.
Dann gibt es da auch noch Kreise, die eher etwas mit dem Raum zu tun haben als mit Zeit. Die haben es mir wirklich angetan und bestimmen maßgeblich mein gärtnerisches Tun. Der Grundgedanke dabei ist, unsichtbar, dem Grundstück entsprechend einen Kreis, ein Rechteck oder einen sich amöbenartig anpassenden Umriss um den Gartengrund zu legen. Sinn und Zweck dieser gedachten Grenze ist es, dass wir uns so den gesamten umschlossenen Raum plastisch als eine eigenständige Einheit vorstellen können und uns darum bemühen, ihn autark als in sich geschlossenen Kreislauf zu führen. Wann immer wir etwas bei unserer Gartentätigkeit
brauchen, Dünger oder Material für eine Wegeinfassung, versuchen wir, dies aus dem umschlossenen Terrain zu beschaffen. So können Gartenkompost, Brennnesseln oder Comfrey als Dünger eingesetzt werden, und Stammabschnitte von gefällten Bäumen oder von felsigem Grund aufgelesene Steine ergeben ausgezeichnete Beet- und Wegeinfassungen.

Ein bisschen Biodynamik

Dieses Konzept einer sich selbst versorgenden Landbaufläche stammt nicht von mir, ich habe es aus der biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise übernommen. Dabei handelt es sich um eine 1924 von Rudolf Steiner entworfene, hoch entwickelte Form des biologischen Anbaus, die heute vom Demeter-Verband, einer international agierenden Organisation, kontrolliert und weiterentwickelt wird.
Auf einem biologisch-dynamisch bewirtschafteten Hof wird nichts oder fast nichts von außen zugekauft. Die Hoffläche wird so bewirtschaftet, dass sie einen stabilen, in sich geschlossenen Organismus darstellt. Boden, Pflanzen und Vieh werden als Elemente einer umfassenden, ganzheitlichen Struktur gesehen, in der alle Teile miteinander verbunden sind und sich gegenseitig stützen und tragen. Jedes Düngemittel, Blattspritzmittel und andere Präparat, das auf den Flächen für den Nahrungsmittelanbau zum Einsatz kommt, wird auf dem Hof aus Kompost, Pflanzen und dem Mist der Tiere hergestellt. Das Futter für die Tiere, die den Dünger für den Anbau liefern, wird ebenfalls angebaut. Ein solcher Hof ist ungeheuer vielgestaltig, doch zugleich in sich geschlossen und trägt sich selbst. Damit hinterlässt er so gut wie keine negativen Spuren auf der Erde.
Ich werde nun aber nicht vorschlagen, eine Kuh in den Garten zu bringen, und will damit auch nicht sagen, dass ein Hausgarten quasi dasselbe sei wie ein Hof. Doch möchte ich die Vorstellung von einem Kreis, der nur wohlüberlegt und begründet aufgebrochen werden darf, einem jeden ans Herz legen. Oder vielleicht eher die Vorstellung von einer Reihe konzentrischer Kreise mit Haus und Garten im Innersten, gefolgt von weiteren, auswärts strahlenden Kreisen: nachbarlicher Umgebung, Stadt, Bezirk, Land, Erdteil und noch weiter darüber hinaus. Das entspricht ungefähr dem, was wir mit einer ge­wissen Ehrfurcht erstmals als Kind beim Schreiben unserer Anschrift erlebt und bewusst wahrgenommen haben: unsere Position im Universum. In meinem Fall stand da: Ardmore, Church Road, Greystones, County Wicklow, Irland, Europa, Erde – und natürlich «Sonnensystem, Galaxie, Universum» – doch brauchen wir für unser Beispiel diese äußeren Ringe nun nicht.
Um die konzentrischen Kreise nicht überzustrapazieren, hier noch einmal kurz gefasst: Je näher an Haus und Garten das gebrauchte Material beschafft werden kann, umso besser.