Dem mit Flugzeugen und Mobiltelefonen vertrauten Leser fällt eine Besonderheit dieser Biographie sofort ins Auge: Benjamin Franklin, amerikanischer Geschäftsmann, Familienvater und Ehemann, verbrachte etwa 26 seiner 42 Jahre in politischen Ämtern als Gesandter in London und Paris. Die langen Reisezeiten, das Erarbeiten einer Verhandlungsposition, Geduld und Ausdauer gegenüber politischen Gewohnheiten und Empfindlichkeiten der Etikette und menschlicher Art machten dieses Anvertrauen an die Zeit, an scheinbar unüberschaubare Perioden notwendig. Für einen solch langen Atem braucht man Kraft. Und die hatte Benjamin Franklin.
Benjamin Franklin (1706 – 1790) war Buchdrucker, Schriftsteller, Journalist, Publizist und politischer Cartoonist, aber auch Erfinder, Wissenschaftler und Politiker. Ernst-Christian Demisch hat in seiner Biographie dieses hoch begabten Menschen die Fakten in den politisch-historischen Zusammenhang gesetzt und das Inspirierende und Innovative dieses Lebens herausgearbeitet. Franklin war ein außergewöhnlicher Mensch, der durch einfachste Motive groß wurde: Fleiß, Freude an der Arbeit und den Wunsch, anderen nützlich zu sein und Gutes zu tun. Die Fülle seiner Erfindungen und Ideen, seine vielfältigen politischen Aktivitäten – alles war am Gemeinsinn ausgerichtet.
Es war ein großes Wechselspiel zwischen den Freiheitsbestrebungen des achtzehnten Jahrhunderts, dem Zeitalter der Aufklärung und der Vernunft, und diesem Mann, der mit Verstand und Menschenfreundlichkeit das Sinnfällige zu erkennen, zu formulieren und zu vertreten wusste.
Das Leben dieses Mannes ist in seiner Fülle kaum zusammenzufassen: Als vorletztes von 17 Kindern eines Seifensieders in Boston geht er nur zwei Jahre zur Schule und beginnt mit 12 seine Ausbildung in der Druckerei seines Bruders. Er lernt schnell, studiert, verfasst Artikel. Franklin geht nach Philadelphia und baut sich eine Existenz auf als Buchdrucker und Verleger und übernimmt das Amt des Postmeisters von Pennsylvania. Mit 42 Jahren, in der Mitte seines Lebens, wechselt er ganz in die Politik, um sich für die Emanzipation der englischen Kronkolonien auf dem amerikanischen Kontinent, später für die Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten einzusetzen. Er gehört zu jenen, die erstmals die Menschenrechte formulieren und kämpft am Ende seines Lebens gegen die Sklaverei. Der einfache Handwerkersohn gewinnt den Hof und die Regierung in Paris für eine Allianz gegen die Engländer. Zuletzt kann er mit dem «Frieden von Paris» das Ende des Krieges gegen England erreichen.
Derselbe Mann hat aber auch den Blitzableiter erfunden, den Stuhl, der sich zur Trittleiter umfunktionieren lässt, die Glasharmonika und die bifokale Brille. Franklin hat sich stets seine Wissbegier und seinen Forscherdrang bewahrt und war so Gesprächspartner auch für Wissenschaftler und Philosophen.
Er war eine Ausnahmeerscheinung von universaler Bedeutung, weil er die Zusammenhänge zwischen Wissensgebieten und Phänomenen, die scheinbar weit auseinander lagen, erfasste. Eine Stelle im Buch von Ernst-Christian Demisch hat mir das Wesen von Benjamin Franklin besonders erhellt. Als der alte Mann 1783 in Paris einen der ersten Heißluftballons steigen sieht, reagiert er auf die mürrische Frage aus dem Publikum, wozu das denn gut sein solle, mit der Gegenfrage: «Wozu ist ein neugeborenes Kind gut?» Mit Offenheit und Neugier bleibt einer immer jung.