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Dave Cousins

Warten auf Gonzo

Nr 207 | März 2017

gelesen von Simone Lambert

«Es ist weder der Stärkste noch der Intelligenteste einer Spezies, der überlebt, sondern derjenige, der sich Veränderungen am besten anpasst.» Charles Darwin.

Weil ihre Mutter, eine Künstlerin, eine Stelle am College gefunden hat, sind die Osbournes aus einer Londoner Vorstadt in das Dorf Slowleigh [sic!] nach Norden gezogen – gegen den Willen von Oz und Meg. Oz will «am Leben bleiben» und findet sich in einer Klassensituation wieder, die vom klassischen Schlägertyp Gareth dominiert wird. Er gerät an den Außenseiter Ryan, der bei seinem Großvater lebt, die Beatles hört, Fantasyromane liest und mit Gleichgesinnten Tolkiensche Schlachten nachspielt – in Hobbit-Socken. Ein hoffnungsloser Nerd, dem Oz seinen eigenen progressiven Musikgeschmack vergeblich nahezubringen versucht. Außerdem taucht ein starkes Mädchen auf, Isobel, genannt Psycho, auch eine Außenseiterin, von der Oz sich ebenso bedroht wie angezogen fühlt. Und dann ist da auch noch der Unbekannte mit Namen Gonzo.
Der Titel des Buches, Warten auf Gonzo, zitiert humorvoll ein berühmtes Werk der Theaterliteratur: Warten auf Godot von Samuel Beckett. Auch von Gonzo weiß man nichts als seinen Namen, ebenso wenig kennt man den Zeitpunkt seiner
Ankunft. Es braucht etwa ein Viertel des Buches, bis der Leser begreift, an wen sich Oz mit seiner Erzählung wendet. Doch das sei hier nicht verraten, das sollte man selbst herausfinden.
Oz ist selbstbewusst und hat einen strapazierfähigen Sinn für Humor. Der Duchampsche Schnurrbart ist gewissermaßen sein Markenzeichen. Tatsächlich versteht es der etwa 13-Jährige, allem, was passiert, durch seine Sichtweise im über­tragenen Sinne einen Schnurrbart anzuhängen: die Dinge werden lustig – und seien sie noch so ernst. Doch Oz weiß auch, was wichtig ist: Gonzo und vor allem seine Schwester Meg. Die fliegt von der Schule, als sie die Kaffeeautomaten aus politischen Gründen zerstört. Dann will sie ihren unsympathischen Arbeitgeber ausrauben und Oz will das unbedingt verhindern … Als die Eltern von ihrer Schwangerschaft erfahren, steht nach einem Krach ein Abbruch im Raum. Oz aber träumt von einem Kind mit blauen Haaren, bis er dies als Signal versteht, die Abtreibung zu verhindern.
Man kann dieses Buch auf zweierlei Weisen lesen: als großen Spaß eines liebenswerten, verrückten Kerls – oder als absurde Frage nach dem Sinn von Schwierigkeiten. Das Buch strotzt vor Sprachwitz und Slapstick. (Vor allem die Schlussszenen, in denen verkleidete Fantasyfans in voller Tolkien-Montur während eines Spielewochenendes Einbrecher stellen, sind an Situationskomik kaum zu überbieten.) Doch dieses Buch hat mit dem großen Vorbild mehr gemein, als es scheint. Denn alles, was Oz anfängt, endet sinnlos, läuft ins Leere. Er wird aus dem abgelegenen Kaff nicht herauskommen. Seine Londoner Freunde vermissen ihn nicht. Isobel ist nicht in ihn verliebt, wie er gern glauben möchte. Und die Freundschaft mit dem verschrobenen Ryan mündet in seiner Teilnahme an einem Tolkien-Camp – unvorstellbar anfangs für den coolen Oz. Aber der nimmt das Neue an. Denn Oz ist ein Zauberer und sein Brief an Gonzo ist eine Liebeserklärung an die Welt mit all ihren Widersinnigkeiten und Fallstricken, ihrem Charme und ihren Überraschungen.

Und seit dem 23.3. steht auch fest: «Warten auf Gonzo» von Dave Cousins wurde von der Kriterjury in der Sparte Jugendbuch für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2017 nominiert!