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Basti Bund

Vom Großen und Kleinen

Nr 212 | August 2017

Was gibt es Schöneres, als inmitten des Alleinseins nicht einsam zu sein. Ich habe zwei Schreibtische, an denen meine Musik entsteht: Einen großen – das ist der Wald an einem barocken Kloster in meiner Region, durch den ich zweimal am Tag spaziere. Und einen «etwas kleineren» – das ist der Arbeitstisch in meiner Wohnung. Und immer ist mein kleiner Vierbeiner, mein Schäferhund-Mischling Träumer, dabei. So bin ich trotz allen selbst­gewählten Alleinseins – ehrliche Musik kann nur aus der Stille entstehen – nie einsam.
Morgens im Wald, am «großen Schreibtisch», wenn mir keine Menschenseele be­gegnet, wird komponiert. Alles im Kopf. Da wird der Klang der Musik entwickelt, da wird Note für Note vorbereitet, um später im
Arbeitszimmer zu Papier gebracht zu werden. Selten sitze ich auch an meinem Aushilfsschreibtisch – dem Klavier. Hier wird nur noch ausgearbeitet, während der wichtige Moment für die Komposition eines Musikstücks, wie zuletzt die Melodien zum Pippa-und-Pelle-Liederbuch von Daniela Drescher, der «Zünd­funke», meist in der Natur, beim Spazierengehen mit Träumer entsteht.
Oft höre ich von Künstlern, dass sie das Chaos bräuchten, um kreativ zu sein. Unheilbar chaotisch bin auch ich, aber der künst­lerische Gedanke und der damit verbundene Wille für ein Stück, für einen Klang, für eine Geschichte sind bei mir immer klar umrissen. Ich genieße es, genau zu wissen, wie eine Musik klingen soll. Oftmals sehe ich bereits vor der ersten komponierten Note schon die fertige Partitur vor meinen Augen und weiß genau, wie sie klingen wird. Wenn zum Schluss aber das fertige Werk dann nicht mit dem inneren Klang übereinstimmt, wandert das komplette Stück ohne Zögern in den Papierkorb. Das ist ein Luxus – und zugleich eine Qual. In der Musik – zumindest bei meiner eigenen – bin ich aber für Kompromisse nicht zu haben. Und es kommt ja der nächste Morgen, an dem mein Schäfermischling vor mir sitzt, mich mit seinen großen braunen Knopfaugen anschaut und dann auffordernd zu seiner Leine geht, die im Flur hängt …
Wie lang es von der ersten Idee zum fertigen Werk braucht, ist immer unterschiedlich: Bei Daniela Dreschers und meinem Liederbuch waren es ein paar Wochen, bis alle Melodien da waren – bei der starken Inspirationskraft, die ihre Bilder auf mich haben, kein Wunder! Aber ich habe auch schon anderthalb Jahre an einem einzigen Musikstück komponiert. Es ist eine ständige Veränderung, auch innerhalb eines Kompositionsprozesses. Das liebe und genieße ich an meinem Beruf.
Und so sehr man beim Komponieren auch abgeschottet ist, für sich ist, die Welt um sich herum vergessen kann, und so sehr der Alltag dann doch mit einem Mal wieder unerträglich erscheint, auch wenn er mich immer wieder erdet und mir festen Boden unter meinen Füßen gibt – ich bin nie einsam.
Genau dafür, um anderen Menschen dieses Gefühl zu vermitteln: «Du bist nicht allein, ich lass dich nicht im Stich!» – dafür mache ich Musik. Dafür sind sie da, meine beiden Schreibtische. Und jetzt sitzt er wieder vor mir, mein Hund, und gleich wird er sich zu mir unter meinen Arbeitstisch legen und mir damit signalisieren: Du bist nicht allein – ich lass dich nicht im Stich!