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Siegwart Knijpenga

Bedeuten uns die Heiligen heute noch etwas?

Nr 212 | August 2017

Franziskus spricht mit dem Bruder Wolf, Antonius predigt zu den Fischen, Christofferus trägt das Jesuskind … Das sind einige der Bilder, die uns einfallen, wenn wir den Begriff «Heiligenlegenden» hören. Aber haben wir wirklich noch eine Idee davon, was sich hinter Namen wie Jeanne d’Arc (Johanna von Orléans), Franz von Assisi oder Antonius von Padua verbirgt? Und sind sie überhaupt noch interessant für uns?
Die Heiligenlegenden sind voller wunderbarer Bilder. Und sie vermitteln Werte, die auch in unserer Zeit hochaktuell sind.
Die Heiligen sind die Helden des inneren Lebens. Wie die äußerlichen Helden «bewaffnen» auch sie sich – sie stärken ihre innere Waffenrüstung, die ihnen Schutz bietet und Kraft spendet für den Kampf gegen ihre Widersacher. Diese innere Rüstung hilft ihnen auch, ihre wertvollen Schätze zu bewahren. Der einzige Unterschied zu den äußerlichen, den vordergründig kriegerischen Helden ist das Feld, auf dem sie ihre Kämpfe austragen. Dieses Feld ist eines, das heute vielleicht den Kindern vertrauter ist als ihren Eltern und Lehrern.
Ein Erwachsener muss sich erst wieder dessen bewusst werden, dass in seinem Herzen eigentlich ein Löwe lebt:
Der König der Tiere, dessen Mut erstrahlt, wenn er Gutes tut, der aber auch faul sein kann, wenn er sich in seiner Umgebung wohlfühlt. Die Rosen des Franziskus sind zunächst nichts
als grüne Knospen, noch fest verschlossen. Doch sobald sie sich öffnen, kommt nicht allein die Blüte zum Vorschein, sondern auch ihre Farben und Düfte erscheinen. Und erwartet nicht jede Mutter hoffnungsfroh, dass ihr Kind in der Zeit der Pubertät aufblühen möge wie eine Rose?
Die Beschäftigung mit den Heiligenlegenden, die früher jedes Kind kannte, da die Eltern und Großeltern sie ihnen erzählt haben, kann ein Übungsweg sein, auf dem diese inneren Werte entdeckt, freigesetzt und erworben werden können. Es sind Geschichten, in denen diese Wege und Werte beschrieben werden. Gerade durch ihre bildhafte Sprache ist dies für Kinder gut sehr nachvollziehbar.
Im Mittelpunkt dieser Legenden stehen immer einzelne Personen. Es sind Heldinnen und Helden des innerlichen Lebens, die ihre Werte durch Übung und Mut zum Handeln erworben haben. In ihrer bildhaften Sprache den Märchen verwandt, berichten auch die Legenden von inneren Erfahrungen. Dabei unterscheiden sie sich aber von den Märchen: Sie gehen einen Schritt weiter, indem sie vom inneren Kampf unserer konkreter Gestalten berichten, die als Vorbild dienen können. Und sie berichten von fabelhaften Reisen und Wegen, die sie beschritten haben, sowie von innerlichen Reichen, die sie betreten durften.
Der Erwachsene kann diese Sprache bewusst zu verstehen lernen, das Kind dagegen hat oft noch einen direkteren, selbstverständlicheren Zugang zu den bildhaften Inhalten.
Für Erwachsene kann die Lektüre der Heiligenlegenden ein Gewinn sein, da sie von beispielhaften Vorbildern berichten – hier und da vielleicht auch von Idealen, die man früher gehabt, inzwischen aber vergessen hat. Und für Kinder können sie zu einem inneren Ort werden, der ihnen einen Schutz bietet gegen vieles, was später ihre Identität bedrohen kann.