JA!

Nr 214 | Oktober 2017

«Wir Heimatlosen – ja!» So steht es in einem nachgelassenen Fragment Friedrich Nietzsches aus der Zeit von Herbst 1885 bis Herbst 1886, etwa drei Jahre, bevor er verstummte und sein Freund Franz Overbeck ihn am 9. Januar 1889 aus Turin über die Alpen nach Basel führte, wo er ihn am 10. Januar in die Nervenklinik ein­lieferte. Doch im Fragment heißt es weiter: «Aber wir wollen die Vortheile unserer Lage ausnutzen und, geschweige an ihr zu Grunde zu gehen, uns die freie Luft und mächtige Lichtfülle zu Gute kommen lassen.»
«Er hat Glück. Er ist lebendig. Er kehrt heim.» So lauten die ersten drei Sätze des Romans Das Gesicht der neuen Tage der in Algerien geborenen und in Frankreich lebenden Schriftstellerin Jeanne Benameur. Nach Monaten in Geiselhaft kehrt der Kriegsfotograf Étienne endlich heim. Doch wie unermesslich langsam findet er den Weg zurück in sein Leben. Und nicht nur für ihn – und das ist das Bewundernswerte an Jeanne Benameurs so fein und intensiv geschilderten Vorgängen –, auch für seine Mutter und seine engsten Freunde bedeutet diese Heimkehr eine allmähliche Wandlung im eigenen Leben.
Für den Oktobermenschen Friedrich Nietzsche (15. Oktober 1844 – 25. August 1900) hieß es zu Beginn des vierten Buches seiner Fröhlichen Wissenschaft: «Ich will immer mehr lernen, das Nothwendige an den Dingen als das Schöne sehen: – so werde ich Einer von Denen sein, welche die Dinge schön machen. Amor fati: das sei von nun an meine Liebe! … Und, Alles in Allem und Grossen: ich will irgendwann einmal nur noch ein Ja-sagender sein!»
Rose Ausländer, die in Czernowitz 1901 als Rosalie Beatrice Ruth Scherzer geborene Dichterin, musste ihre geliebte Heimat verlassen, blieb aber, nach dem Einfall der SS in der Bukowina und trotz ihrer jüdischen Herkunft, am Leben. Wie auch Nietzsche schöpfte sie aus ihrer Kraft, Ja zum Leben zu sagen und das Not­wendige als das Schöne zu sehen und in ihren Gedichten auszusprechen. So auch in ihrem Gedicht Daheim:

In der Fremde
daheim

Land meiner Muttersprache
sündiges büßendes Land
ich wählte dich
als meine Wohnung
Heimatfremde

wo ich viele
fremde Freunde
liebe


Auf dass jede und jeder von uns diese Kraft des Ja finden möge,
grüßt von Herzen in diesem Oktober, Ihr

Jean-Claude Lin