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Chris Grabenstein

Flucht aus Mr Banancellos Bibliothek

Nr 215 | November 2017

gelesen von Simone Lambert

Der exzentrische Milliardär Banancello hat sein Vermögen mit der Erfindung von Spielen verdient. Nun wird er der Stifter der neuen und unter Geheimhaltung erstellten Stadtbibliothek in Alex­andriaville, dem Ort, in dem er einst aufgewachsen ist. Es ist eine sentimentale Entscheidung, denn die Bibliothek seiner Kindheit – vor zwölf Jahren abgerissen, weil «das Internet … eine altmodische Bibliothek überflüssig gemacht» habe – hatte ihm, der in Armut aufwuchs, die Welt der Bücher eröffnet und sein Talent als Spieleerfinder gefördert.
So kommt es, dass die Zwölfjährigen der Stadt sich darum reißen, einen der zwölf ersten Bibliotheksausweise zu gewinnen: die besten Aufsätze werden mit der ersten Nacht in diesem multimedialen Wissensparadies belohnt. Daran gekoppelt ist ein Rätselspiel, dessen Aufgaben den Kindern manches abverlangen. Die Hilfsmittel sind hochmodern: Die nach der Dewey-Dezimal­klassifikation organisierte Bibliothek wird mit Hilfe von Robotern aufgeräumt, es gibt elektromagnetische Hover-Leitern, die den Suchenden die richtige Stelle im Bücherregal finden lassen, ein elektronisches Lernzentrum mit Simulationstechnik, interaktive Dioramen und ein IMAX-Theater. Ein Hologramm projiziert Banancellos ehemalige Bibliothekarin vor die Augen der Kids. Die große Aufgabe ist nun, mit diesen Hilfsmitteln und den versteckten Hinweisen in der Bibliothek einen geheimen Ausgang aus dem verschlossenen Gebäude zu finden. 24 Stunden Zeit haben die Kinder, um dieses Rätsel zu lösen, während Mr. Banancello, eine Art Jerry Lewis des Bibliothekswesens, und seine neue Bibliotheksleiterin, eine strenge, kompetente, überlegene Person, wie Eltern den Wettkampf der Kinder um ihren Weg per Videokamera überwachen. Dem Gewinner winken Ruhm und Reichtum.
Die zwölf Jugendlichen sind eine heterogene Truppe. Im Fokus steht Kyle Keeley, jüngster von drei Brüdern und ein Spielenarr. Kyle hat «es nicht so mit Büchern». Kyle und seine Freundin Akimi begreifen schnell, dass sie leichter vorankommen, wenn sie ein Team bilden. Die belesene Außenseiterin Sierra schließt sich ihnen an und sie haben Miguel im Team, der sich mit seiner Kenntnis des Ordnungssystems einbringt. Gegenspieler ist Charles, ein Snob aus reichem Hause, der gelernt hat, Menschen für seine Ziele zu manipulieren.
Auch der reale Leser, der das Buch Flucht aus Mr Banancellos Bibliothek in Händen hält, kann bei der spannenden und unter­halt­samen Suche mitraten. Zudem erschließt sich bei der aufmerksamen Lektüre ein verdecktes Rätsel und der Verlag verlost Bücherpakete unter den richtigen Einsendungen!
Das Buch ist eine raffinierte literaturpädagogische Ange­legenheit, in der Kinder ebenso etwas über die Organisation einer Bibliothek lernen wie über Bücher. Vor allem aber ist es ein Lehrstück über Fairplay und Teamgeist. Kyles Gruppe wird stärker durch die verschiedenen Charaktere und ihre Kenntnisse und Fähigkeiten. Und jeder Einzelne gewinnt dazu, indem er sich dem gemeinsamen Ziel unterstellt.
Das Buch hat seine Vorbilder in Roald Dahls Charlie und die Schokoladenfabrik und Elaine Lobl Konigsburgs Die heimlichen Museumsgäste oder auch Der Club der klugen Kinder. Hier wie dort ist es die intensive Begegnung mit Wissen und der Einsatz von Intelligenz, von denen so etwas wie ein Weckruf der Begeisterung für das Lernen ausgeht. Bücher dieser Art brauchen junge Leser immer wieder.