Jean-Claude Lin

Lebenskunst

Nr 147 | März 2012

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Rätselhaft und schmerzvoll mag uns das sich verbreitende Phänomen berühren, dass so viele Menschen ihr Erinnerungsvermögen verlieren. Sie erscheinen einem dann, wie wenn sie ihres Selbstes beraubt und ohne Orientierung im eigenen Leben wären.

Bemerkenswert ist die Wende, die Sophie Rosentreter in ihrem Leben herbeiführte. Aus der gelebten Nähe zu ihrer Großmutter widmet sie sich dem Schicksal an Demenz erkrankter Menschen. Und ein goldenes Wort fürs Leben hat sie für uns ausgesprochen: Nicht darauf kommt es an, was du im Leben erreicht hast, sondern wen du erreicht hast.
Sie hat erfahren, dass auch demente Menschen erreicht werden können, wenn wir nur die richtigen Mittel dazu finden.

Ein Mittel ist die Kunst. Ohne diese Erfahrung könnte es verwundern, warum die alten Griechen der Anschauung waren, dass die neun Musen die Töchter der Mnemosyne seien.

So wie sie, die der göttlichen «Erinnerung» entstammen, die Künste inspirieren, führen die Künste wieder zur Erinnerung. Einmal versuchte ich diese Beziehung darzustellen: «Im Urbeginne ist die Erinnerung – Ein verborgener Zusammenhang zwischen Kunst und Religion».*

Auf ganz bemerkenswerte Weise finde ich die Beziehung von Kunst, Erinnerung und Leben nun wieder im Wirken Sophie Rosentreters und überraschend anders erlebbar auch in Maria A. Kafitz’ New Yorker Stelzenlauf.

So möge das aus künstlerischem Sinn Erschaffene uns am Leben und für das Leben erhalten!

Jean-Claude Lin