Jean-Claude Lin

Pause!

Nr 153 | September 2012

Wie habe ich mich als Schüler darauf gefreut: Pause! Nicht, weil mir der Unterricht zu anstrengend, langweilig oder öde war. Nein, ich rechnete gern, schrieb gerne Arbeiten und lauschte insbesondere mit großer Aufmerksamkeit den Erzählungen und Geschichten meiner Lehrer. Aber in der Pause konnte ich mit meinen Klassenkameraden spielen!
Zweimal im Stundenplan durften wir Schüler über einen etwas längeren Zeitraum selbst über uns bestimmen: in der Pause nach den ersten zwei Stunden (des Hauptunterrichts) eine gute Viertelstunde, und nach dem gemeinsamen Mittagessen (ich ging in England in die Schule) über eine halbe Stunde lang.
Wie haben wir das Spielen geliebt – Jungs wie Mädchen, zumindest bis etwa zur 6. oder 7. Klasse, als die Mädchen dann lieber unter sich sein wollten, um nur zu reden … Wie haben wir sie geliebt, die verschiedenen Versteckspiele, Fangspiele, Seil- und Ballspiele, inklusive Fußball mit einem Tennisball! Mit glühenden Wangen und oft außer Atem kehrten wir wieder in unser Klassenzimmer zurück. Nach der Ausgelassenheit und der intensiven Bewegtheit des Spielens konnten wir uns wieder dem stillen Sitzen und Zuhören widmen.
Als ich aber in der 10. Klasse für 10 Wochen an einer deutschen Schule war, taten mir die deutschen Schüler leid, deren «große Pause» mir ziemlich klein vorkam – und die gar keine ausgiebige Spiel­möglichkeit nach dem gemeinsamen Mittagessen hatten, da es gar keinen Nachmittags­unterricht
gab …
Bei all dem Reden und Schreiben über Bildungspläne, Lernziele und Kompetenzen sollte, wie der Schweizer Philosoph und Erziehungswissenschaftler Albert Vinzens betont, die fundamentale Bedeutung des freien Spiels für die Entwicklung eines jeden Menschen nicht außer Acht gelassen werden.

So wünsche ich allen, die jetzt in die Schule gehen, ausgiebige Pausen und uns Erwachsenen hin und wieder diese herrlichen Momente des Lebens, in denen wir «nur» spielend sein dürfen!
Ihr

Jean-Claude Lin