Frank Berger

Schicksal und Wandlung

Nr 154 | Oktober 2012

Dem französischen Erfolgsautor Christian Signol gelingt in seinem neuen Buch Der Himmel, so blau der bemerkenswerte Satz: «Sein eigenes Schicksal gehört dem Menschen nicht mehr, wenn er auf die Geschichte stößt, die sich gerade vollzieht.» In diesem Roman geraten Menschen in den Sog der historischen Ereignisse des 20. Jahrhunderts und werden von ihnen geprägt – ihr Leben verläuft dadurch ganz anders, als sie es sich gewünscht und erhofft hatten.
Signol berührt hier eine zentrale Frage der menschlichen Existenz: Wo und bis wohin sind wir «Herr unseres Schicksals»? Es gibt Wandlungen, die wir selbst – aus eigener Kraft – vollziehen, und solche, die (nur) von außen bewirkt werden können.
Selbst Michelangelo, der «Willensgigant», dem nichts unmöglich schien, der Steine so verwandeln konnte, dass sie zu leben schienen – selbst er gelangt zur Erkenntnis seiner «nichtgen Kraft», wie es ihm der Dichter Conrad Ferdinand Meyer in seinem Gedicht In der Sixtina in den Mund legt. Er fleht seinen Gott an, ihn, einen «Knecht der Leidenschaft», zu seinem Bilde umzuschaffen, «rein und frei». Dies kann er selbst nicht leisten, und so ruft er:
«Bildhauer Gott, schlag zu! Ich bin der Stein.»
(Mehr über die Schaffenskraft Michelangelos finden Sie in Walter Streffers Essay ab Seite 18.)
Ähnliches schildert die Schauspielerin Martina Gedeck am Beispiel der zentralen Figur in ihrem neuen Film Die Wand. Ihr stellt sich fortwährend die Frage, was dem Menschen bleibt, wenn alles wegfällt, was ihn bislang getragen hat. Wie geht er mit dieser Situation um? Welche Kräfte mobilisiert er?
Mitten hinein in eine Kultur, in der der Begriff des Schicksals eine zentrale Rolle spielt, führt
uns schließlich Marie-Thérèse Schins. Nirgendwo lässt sich das existenzbestimmende Spannungs­feld zwischen vorbestimmten Grenzen und eigenem Wandlungsimpuls wohl so intensiv erleben wie in Indien!

Ich wünschen Ihnen viele anregende und verwandelnde Leseerlebnisse!
Ihr
Frank Berger