Es ist eine besondere Eigenschaft des Menschen, dass er sich an Vergangenes erinnern kann und Zukünftiges im Voraus bedenken mag. Beide Blickrichtungen braucht der Mensch zum Erhalt seiner Identität. Ohne ein Wissen um die eigene Herkunft und ohne ein Streben um eine zu erschaffende Zukunft kann ein Mensch leicht alle Orientierung verlieren, wie wenn er sich selbst abhanden gekommen wäre.
Es gibt für den Menschen aber auch die Gefahr, zu sehr dem Vergangenen oder dem Zukünftigen hingegeben zu sein. Dann ist die Gegenwart öde und leer.
Eigentümlicherweise werden wir im Beisein eines Tieres nie den Eindruck bekommen, es hänge einem Vergangenen nach oder verliere sich an ein herbeigesehntes Künftiges. Das Tier ist ganz Gegenwart. Das erlebt sicherlich jeder aufmerksame Reiter beim Spiel der Ohren seines Pferdes. Aber auch jeder aufmerksame Erwachsene, der das Spiel von Kindern beobachtet, erlebt diese Gegenwärtigkeit. Wie Christiane Kutik in unserem «thema» bemerkt: Beim Spielen von Kindern geht es nicht darum, dass etwas «Vernünftiges» rauskommt, sondern darum, anwesend zu sein. «Im Hier und Jetzt.»
Kinder wie Tiere haben dieses Gemeinsame, dass sie uns zur Beachtung der Gegenwart anleiten.
Sie leben noch – teilweise zumindest – wie im Paradies. Werden wir mit allem, was wir in der Vergangenheit erlebt haben, und allem, was wir noch in der Zukunft anstreben wollen, dennoch in der Gegenwart anwesend, so zaubern wir Paradiesisches in unseren Alltag herein. Die unbewusste Weisheit der Kinder und der Tiere machen wir uns bewusst und lernen sie so neu lieben. Auch sie schafft Anwesenheit, hier und jetzt: die Liebe.
Es grüßt von Herzen, Ihr
Jean-Claude Lin