Es gibt Momente im Leben, in denen uns das passende Wort partout nicht einfallen will. Wir wissen, was wir sagen wollen, aber wir können es nicht, weil uns das richtige Wort dafür fehlt. Die Wörter, die uns einfallen oder uns von freundlicher Seite vorgeschlagen werden, müssen wir oft als nicht treffend ausschlagen. An einem solchen Erlebnis kann uns bewusst werden, dass wir nicht in Worten denken, denn sonst hätten wir für unsere Gedanken immer die passenden Worte. Für immer mehr Menschen unserer Zeit wird diese Kluft zwischen Gedanke und Wort zu einem schweren Schicksal: Sie können das nicht artikulieren, zur Offenbarung bringen, was in ihnen innerlich vorgeht.
Im Wort ist das Leben – so heißt es auch im Johannesevangelium – und das Leben war das Licht der Menschen. Wie aber, wenn wir ohne Worte sein müssten? Wenn wir von Gedanken erfüllt wären, aber diese gar nicht ausdrücken könnten? Wie muss es auch Gott ergangen sein, vor der Erschaffung der Welt? Von dieser Perspektive aus wird es etwas verständlicher, wenn Johannes sein Evangelium mit den Worten eröffnet: Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott, … und alles, was entstanden ist, ist durch das Wort entstanden.
«Achtung vor dem Wort ist die erste Forderung in der Disziplin, durch welche ein Mensch zur Reife erzogen werden kann – intellektuell, im Gefühl und sittlich», schrieb der frühere UN-Generalsekretär Dag Hammarskjöld in seinem «spirituellen Tagebuch» Zeichen am Weg. «Achtung vor dem Wort – seinem Gebrauch in strengster Sorgfalt und in unbestechlicher innerer Wahrheitsliebe –, das ist auch die Bedingung des Wachstums für Gemeinschaft und Menschengeschlecht.» – So spricht einer aus tiefer Liebe zur Schöpfung und zum Menschen.
Wir leiden aber nicht nur unter einer zunehmenden «Wortfindungsstörung». Wir können auch eine elementare Freude an dem Erfindungsreichtum menschlicher Sprache und Wortbildung erleben. Wenn Sie, liebe Leserin, lieber Leser, erfahren wollen, wohin die «Oortsche Wolke» uns zieht, oder was das schöne finnische Wort «Ihminen» heißt und wie es mit dem Verb «Ihmetellä» zusammenhängt – dann lesen Sie weiter in dieser Ausgabe
von a tempo!
Von Herzen, Ihr
Jean-Claude Lin