Liebe Leserin, lieber Leser
Edward Snowden hätte es einfacher haben können. Nach seinem Mitwirken an den globalen Spähprogrammen der US-Geheimdienste und der ihm aufgegangenen Erkenntnis, dass hier Grundrechte des Menschen maßlos verletzt seien, hätte er sich nicht weiter schuldig machen müssen und seine Stelle stillschweigend quittieren können. Stattdessen traf er eine für ihn persönlich folgenschwere Entscheidung: Er machte sein Wissen über die Praktiken der US-Geheimdienste publik, «damit das, was uns alle betrifft, von uns allen bei Tageslicht diskutiert werden kann». – «Diese Bereitschaft mächtiger Staaten, außerhalb des Gesetzes zu agieren, ist eine Bedrohung für uns alle und darf nicht weiter andauern», erklärte er während seines Aufenthaltes im Transitbereich des Moskauer Flughafens Scheremetjewo. Es war ein denkwürdiger Auftritt am 12. Juli 2013. Die Bilder, die in den Tagesnachrichten im Fernsehen zu sehen waren, und vor allem das Bild, das in vielen Zeitungen am 13. Juli vom dreißigjährigen Edward Snowden zwischen den beiden Altersgenossen Sarah Harrison von Wikileaks und Tanja Lokschina von Human Rights Watch abgedruckt wurde, berührten in besonderem Maße. Wie manches andere Bild von jungen Menschen, die sich gegen staatlichen Machtmissbrauch auflehnen, wird es in die Geschichtsbücher aufgenommen werden – solange der Menschheit ein Bewusstsein von Recht und Freiheit erhalten bleibt.
Dreifach ist der Mut, den solche Zivilcourage erfordert: Mut zur eigenen Einsicht, Mut zur eigenen Entscheidung und Mut, die Folgen der eigenen Handlungen anzunehmen und zu tragen. Ob aus solchen Handlungen Gutes wird, ist im Voraus nicht auszumachen.
Etwas von diesem dreifachen Mut braucht aber jede menschliche Gesellschaft, wenn sie human bleiben will, wenn sie jedem einzelnen Individuum fördernd zur Seite stehen will. In sehr unterschiedlicher Weise vergegenwärtigen unser Gespräch mit Betül Durmaz wie auch die Augenblicke bei der Kölner NeuLand-Initiative den Segen gelebter Zivilcourage.
So wünsche ich uns allen von Herzen
Mut, Mut, Mut!
Jean-Claude Lin