Es gibt viele Antworten auf die Frage, warum es gut sein könnte, wenn ein Mensch meditiert. Sich hin und wieder aus der Hektik der Forderungen des Alltags zu lösen, um sich gedankenkräftig einem selbstgewählten geistigen Inhalt zuzuwenden – oder sich von allen von außen einströmenden Eindrücken und von innen unwillkürlich aufsteigenden Bewusstseinsinhalten zu befreien, steigert die innere Ruhe und Gelassenheit, die so wohltuend sind für alle unsere Verrichtungen im Leben.
Zweiundfünfzig unterschiedlich schattierte Antworten auf die Frage «Warum meditieren?» gibt der anthroposophische «Seelenkalender», und eine dieser Antworten berührt mich jedes Jahr im Dezember besonders tief. In diesem zunächst für das Jahr von Ostern 1912 bis zur Karwoche 1913 verfassten Seelenkalender ist für jede Woche des Jahres, beginnend mit dem Ostersonntag als erstem Tag der ersten Woche, ein Spruch von Rudolf Steiner verfasst worden. Der Wochenspruch für die 37. Woche nach Ostern fiel im ursprünglichen Erscheinungsjahr auf die Woche vom 15. bis 21. Dezember 1912 und ist erfüllt von einer wunderbar warmen vorweihnachtlichen Stimmung:
Zu tragen Geisteslicht in Weltenwinternacht / Erstrebet selig meines Herzens Trieb, / Dass leuchtend Seelenkeime / In Weltengründen wurzeln / Und Gotteswort im Sinnesdunkel / Verklärend alles Sein durchtönt.
In diesem Jahr fällt die 37. Woche nach Ostern auf die Woche vom Sonntag, den 4., bis Samstag, den 10. Dezember. Es ist also die Woche des Nikolaustages. Etwas vom Glück des Erscheinens des Gotteskindes auf Erden kann in diesem Jahr schon in der ersten Dezemberwoche vorempfunden werden, wenn dieser Spruch meditiert wird. Ob aber das «Gotteswort» wirklich «im Sinnesdunkel verklärend alles Sein durchtönt», wird mit einer Bedingung verknüpft. Es wird gesagt, was als kosmische, göttliche Antwort auf das Licht des eigenen Geistes gegeben wird, wenn der Mensch, wie es im Meditieren geschehen kann, dieses Licht entzündet und es in die Welt trägt. Ob Gottes Wort durch die Welt heilend und erleuchtend wirken kann, hängt von uns Menschen ab. Und jedes Mal, wenn wir uns um dieses innere Licht der Meditation bemühen, tragen wir etwas dazu bei, dass das schöpferische Leben des Göttlichen die Welt mit Sinn erfüllt. Auch das ist Glück auf dieser Erde.
Mögen wir viel Glück in diesen Wochen vor und um Weihnachten erleben!
Von Herzen grüßt Sie, Ihr
Jean-Claude Lin