In diesem Jahr jährt sich am 2. April der Todestag des Augenarztes und Schriftstellers Johann Heinrich Jung zum 200. Male. Geboren am 12. September 1740 in Grund im Siegerland, starb er fast 77-jährig in Karlsruhe. Es war sein Studienfreund Goethe, der ihm früh zur größeren Bekanntheit verhalf, indem er ohne Wissen des späteren Wirtschaftswissenschaftlers den ersten Band von dessen verschlüsselten Lebenserinnerungen, Henrich Stillings Jugend. Eine wahrhafte Geschichte, 1777 drucken ließ, weshalb er später immer Heinrich Jung-Stilling hieß.
Dieser erste Band – wie auch die Folgebände der Lebenserinnerungen – fanden eine große Leserschaft und bildeten eine bedeutende Vorstufe des späteren «Entwicklungsromans». Im 10. Kapitel des ersten Bandes findet sich auch das Märchen von Jorinde und Joringel, das die Brüder Grimm fast Wort für Wort als Nummer 69 in ihre 1812 erschienenen Kinder- und Hausmärchen aufnahmen. Wie unheimlich wirkt dort die von der Base Mariechen erzählte «Historie von Joringel und Jorinde» auf den elfjährigen Henrich, als sie sich auf «eine grüne Ebne» in einem «weit entlegenen Ort des Waldes» niedergelassen hatten, während der alte Vater Stilling in den Wald ging, «um Brennholz zuzubereiten».
Henrich hört, wie die schöne Jungfrau Jorinde von der tief im «dicken Wald» lebenden Erzzauberin in eine Nachtigall verwandelt und in ihrem Schloss zusammen mit siebentausend anderen in «rare Vögel» verzauberten Jungfrauen gefangen gehalten wird, ohne dass ihr Bräutigam Joringel etwas dagegen tun kann. Erst nach einer langen Zeit als Schäfer träumt Joringel von einer «blutroten Blume, in deren Mitte eine große Perle war», mit der die Macht der Erzzauberin gebrochen werden kann. So kann er seine Braut und die anderen siebentausend Jungfrauen endlich erlösen.
Indessen kehrt Henrichs Vater verklärt zurück: «Wie ich von euch in den Wald hineinging, sah ich weit vor mir ein Licht, ebenso als wenn morgens früh die Sonne aufgeht. … wie ich vorn hinkam, siehe da war vor mir eine Ebne, die ich mit meinen Augen nicht übersehen konnte. Ich hab mein Lebtag so Herrlichs nicht gesehen, so ein schöner Geruch, so eine kühle Luft kam darüber her, ich kann’s euch nicht sagen. Es war so weiß Licht durch die ganze Gegend, der Tag mit der Sonne ist Nacht dagegen.» Und er erzählt, wie aus einem der vieltausenden schönen Schlösser seine früh verstorbene Frau heraustritt, um ihn zu begrüßen und auf bald willkommen zu heißen. – So werden wir in diesem Monat geführt von der Gewalt ausübenden alten Magie über die dienende Pflege an der Natur zur zukünftigen übersinnlichen Schauung des nachtodlichen Lebens. Der Schlüssel aber liegt im «Hüten der Schafe» eine «lange Zeit».
Mögen wir wie der Comedian Jochem Myjer, die Hühner- und Bienen-Freunde von Hamburg Ottensen oder der in der Ornithologie bewanderte Buchhändler Walther Streffer die Liebe zur Natur immerzu hegen und pflegen.
Von Herzen grüßt Sie
Ihr Jean-Claude Lin