«Wenn man offen durch die Welt geht, Interesse an vielen Dingen hat und bestimmte Sachen aktiv anpackt, um etwas zu bewegen, wächst vieles zusammen.» So äußert sich der Schauspieler und begeisterte Radfahrer Peter Lohmeyer in unserem Gespräch und drückt damit eine Erfahrung aus, die er bestimmt nicht als Einziger in seinem Leben gemacht hat. Unsere Offenheit für das Neue und Fremde führt dazu, dass vieles, das zunächst getrennt war, nun zusammenwächst. Eigentlich unwiderlegbar ist die Tatsache, dass die Welt zusammenwächst, dass die Menschen und ihre Kulturen sich immer mehr vermischen und durchdringen. Woher kommt denn die große Anziehungskraft des Rufes nach Grenzen, Abschottung und Rückbesinnung auf die «Reinheit» des «Eigenen»?
Auf der diesjährigen Leipziger Buchmesse bedankte sich der französische Autor Mathias Énard für den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung, der seinem Roman Kompass zuerkannt wurde, mit einer bemerkenswerten Rede. Zuerst rief er in Erinnerung, dass Europa eine libanesische Prinzessin war, die an einem Strand bei Sidon von einem Gott des Nordens – Zeus – entführt wurde, der sie begehrte. Europa, die Tochter des Königs Agenor, sei eine «illegale Einwanderin, eine Ausländerin, eine Kriegsbeute», die ihr Leben im südöstlichen Mittelmeerraum zwischen Phönizien und Kreta verbracht hatte. Dennoch könne dieser Mythos des Raubs von Europa uns viel über die Geschichte der europäischen Kultur aufklären, denn sie ist durch immerwährende Verbindung mit dem Orient nur so geworden, wie sie ist. Seinen Roman Kompass habe er im Zeichen der Hoffnung geschrieben, erzählte Mathias Énard weiter in seiner Dankesrede. Aber: «Welche Hoffnung kann man jenem sehr finsteren Prinzip eines Menschen entgegensetzen, der sich und seinesgleichen umbringt für das Versprechen, ins Paradies zu kommen? … Anscheinend funktionieren die Hoffnung auf Demokratie und die Sehnsucht nach wirtschaftlichem Aufschwung nicht mehr bei den Ausgeschlossenen auf dieser Welt, bei den Ausgesperrten, den Menschen, die die Globalisierung von unten betrachten, wie man ein Flugzeug vorüberfliegen sieht.»
Mathias Énard setze auf die bescheidene Hoffnung des Wissens, einer Liebe, ja gar «Erotik» des Wissens, «dass sich das Begehren nach Wissen immer mehr ausbreitet, und darauf, dieses Begehren mit anderen zu teilen. Die Neugier als Motor der Welt, die Neugier, das Wissen, die Künste und die Literatur als die Dinge, die wir teilen.»*
Es ist sicherlich kein Zufall, dass der Roman Kompass – über eine schlaflos in Wien verbrachte Nacht – die Erkundungen einer großen Liebe schildert, die den Leser in die Tiefen und Schönheiten der Welt zieht, die den Orient mit dem Okzident verbinden.
Mögen wir neugierige Menschen werden und bleiben!
Von Herzen grüßt Sie, Ihr
Jean-Claude Lin