«Wie schafft man es, eine Figur so in sich hineinzulassen», fragt Maria A. Kafitz in unserem Gespräch mit der österreichischen Schauspielerin Ursula Strauss. «Durch Magie», antwortet die vielfach ausgezeichnete Darstellerin. «Spielen ist Magie.» Und letztlich sei das etwas Unerklärliches. «Ich finde es wunderbar, dass noch Fantasie- und Energieräume übrig bleiben, die wir nicht durchschauen können. Das ist so bei guten Begegnungen – und vor allem in der Liebe.»
Von einem besonderen Ort der Begegnung schreibt Christian Hillengaß in unserer Reportage über Murnau und das «Blaue Land», etwa siebzig Kilometer südlich von München. In den Jahren 1908, 1909, 1910 verbringen die Künstlerpaare Alexej Jawlensky und Marianne von Werefkin, Wassily Kandinsky und Gabriele Münter die Sommermonate an diesem idyllischen Ort, der als Wiege einer neuen Suche nach dem Geistigen in der Kunst betrachtet werden kann.
Doch, wie Bernd Fäthke in seiner profunden Monographie über Jawlensky und seine Weggefährten (erschienen im Hirmer Verlag 2004) bemerkt, ist es eigentlich «erstaunlich, dass sich die Paare, Jawlensky und Werefkin mit Münter und Kandinsky, in Murnau zusammengefunden haben, denn eine ausgesprochene Aversion von Kandinsky gegen Jawlensky ist uns gerade für diese Zeit bezeugt. Er nahm nicht nur Anstoß an Jawlenskys Liebesabenteuern. Ihm waren Jawlenskys Amouren in München bekannt, und offensichtlich verfolgte er mit Misstrauen, wie gerne sein ‹Müchen› – die er so nach dem Monogramm ‹Mü› auf ihren Bildern nannte – bei Jawlensky Malunterricht nahm. Andere Freunde nahmen an Jawlenskys Affären keinen sonderlichen Anstoß. Wie Werefkin nannten sie Jawlensky hintersinnig ‹Lulu› und sahen in ihm das männliche Pendant zu jener Frau aus Wedekinds Drama, die mit kühler Sinnlichkeit die Männer anlockt, um sie ins Verderben zu reißen».
Zu seinem siebzigsten Geburtstag am 26. März 1934 aber schrieb Kandinsky aus Paris an den früheren Mitstreiter beim «Blauen Reiter» am 23. März 1934: «Ich habe damals viel von Ihnen gelernt und werde Ihnen dafür immer dankbar sein. Es ging mir weniger um den ‹Kopf› als um den organischen Zusammenhang, die Einheitlichkeit der Form, die nur im ‹Summarischen› existiert.» – Ja, Kandinsky hat etwas von der Magie in der Begegnung mit Jawlensky empfunden, die so einmalig bezaubernd in den Werken dieser in Deutschland wirkenden Künstler in Erscheinung trat. Es war kein Zufall, dass Jawlensky ein Mann war, der viel geliebt hat. Darin lag auch seine Magie.
Mögen wir, liebe Leserinnen, liebe Leser, hin und wieder ein wenig von dieser Magie erfasst werden!
Von Herzen grüßt Sie, Ihr
Jean-Claude Lin