«Der größte Gewinn, den wir den Künstlern verdanken, sei es nun einem Maler, Dichter oder Romancier, ist die Erweiterung unserer Sympathien.» So schrieb Mitte der 50er Jahre des 19. Jahrhunderts Marian Evans, die überaus kluge, an allem wissenschaftlichen Fortschritt und sozial orientiertem Freidenkertum interessierten jungen Frau, die zudem für alle praktischen Belange der Herausgeberschaft der führenden progressiven Zeitschrift The Westminster Review das unumschränkte Vertrauen des Verlegers John Chapman genoss. Erst mit der Veröffentlichung ihres ersten Romans, Adam Bede, im Jahr 1859, gab sich die am 22. November 1819 geborene Mary Anne Evans das männliche Pseudonym George Eliot. Nicht nur in Gesellschaft frei denkender britischer Naturwissenschaftler und Kulturkritiker, sondern auch als Übersetzerin der für viele ihrer Zeitgenossen hochkontroversen Werke deutschen Geisteslebens, wie Das Leben Jesu von David Friedrich Strauß und Das Wesen des Christentums von Ludwig Feuerbach, hatte sie sich eine ausgeprägte Neigung zum kritischen Realismus angeeignet. «Der Wunsch … die Namen der Dinge zu kennen … ist Teil einer Neigung, die nun beständig in mir wächst, jeder Art von Unbestimmtheit und Ungenauigkeit ins Tageslicht deutlicher, lebendiger Gedanken zu entkommen.» In einer Rezension der ersten beiden Bände Land und Leute und Die bürgerliche Gesellschaft des vierbändigen Werkes Die Naturgeschichte des Volkes als Grundlage einer deutschen Sozialpolitik von Wilhelm Heinrich Riehl schreibt sie auch: «Die Kunst ist dem Leben verschwistert. Sie ist eine Art, Erfahrungen darzustellen und Beziehungen zu den Mitmenschen über unser eigenes Schicksal hinweg zu erweitern. Umso heiliger ist die Aufgabe des Künstlers, wenn er sich anschickt, das Leben des Volkes zu malen.» In der Kunst aber verbindet sich ein ganz Persönliches mit dem Allgemeinen. So gab George Eliot dem Manuskript ihres ersten Romans Adam Bede folgende Widmung mit:
Meinem lieben Mann, George Henry Lewes, überreiche ich dieses MS. eines Werkes, das ohne das Glück, welches seine Liebe meinem Leben gegeben hat, nicht hätte geschrieben werden können.
Marian Lewes
März 23, 1859
Auch heute versuchen Menschen, Erkenntnis und Kunst, ja, Wissenschaft und Lebenskunst nicht getrennt voneinander zu pflegen, sondern mit einander zu verbinden – da manches nur im künstlerischen Medium wirklich zu erkennen ist. Die Filmregisseurin Jacqueline Zünd ist auch so eine Grenzgängerin und Grenzüberschreitende.
Seien Sie in diesem November von Herzen gegrüßt!
Jean-Claude Lin