Dies ist weniger ein Kulturtipp, sondern vielmehr ein Tipp zum Bestaunen der kleinen Dinge
Alles begann ganz einfach. Im vorletzten Jahr stand in a tempo ein Artikel über die Kapuzinerkresse, der mich animierte, sie im vergangenen Frühjahr im Garten auszusäen. Jeder kennt ihre leuchtenden orangeroten Blüten, weiß, dass man sie und ihre Blätter essen und, kleingeschnitten, den Salat damit würzen kann. Eine Besonderheit sind ihre fast kreisrunden Blätter, die sie mit den Lotusblüten gemeinsam haben, ebenso die Eigenschaft, den Schmutz beim ersten Tau oder Regen von sich abzuspülen. Bekannt ist auch, dass sie viele Wirkstoffe gegen alle möglichen Erkältungskrankheiten hat und viel Vitamin C enthält.
Als nun im Frühsommer die ersten Blüten erschienen, stellte ich vier davon mit etwas Grün dekoriert in ein Väschen, so, dass sie alle nach vorne blickten. Schon hier stellte ich fest, dass sie nach einiger Zeit nicht mehr alle nach vorn schauten. Daraufhin entfernte ich das Grün, das auch bei allen künftigen Versuchen wegfiel, um sie in ihrer Eigenbewegung nicht zu behindern.
Am nächsten Tag stellte ich zwei Kapuzinerkresseblüten nebeneinander in die Vase – beide nach vorn blickend und alle mit gleichlangen Stielen. Bis zum Abend waren sie so weit auseinandergerückt, dass eine Blüte nach links, die andere nach rechts sah. Dann stellte ich vier Blüten, auch alle nach vorn schauend, in das Väschen. Bis zum Abend hatten sie sich so weit auseinanderbewegt, dass jede in eine andere Himmelsrichtung blickte. So blieben sie dann, ohne große Veränderung, bis zum Verwelken.
Nun machte ich einen anderen Versuch. Ich stellte nur eine einzelne Blume in die Vase. Was geschah? Nichts – sie blieb den ganzen Tag und die ganze Nacht unverändert, wie ich sie in die Vase gestellt hatte.
Da gab ich ihr Gesellschaft durch eine weitere Blüte in ihre Vase. Und was geschah nun? Die bisher völlig Unbewegte rückte ganz langsam weg, bis sie schließlich bis zum Abend ganz nach einer – der anderen – Seite blickte! Bei weiteren gleichartigen Versuchen blieb meistens die erste Blüte unbewegt und die dazugenommenen wandten sich zur Seite.
Muss man daraus nicht schließen, dass sich einerseits die Blumen gegenseitig wahrnehmen und andererseits, dass sie «eigenwillig» sind und anders als die anderen wollen?
Die Versuche wiederholte ich während der ganzen Blütezeit, immer mit dem gleichen Ergebnis, bei nur geringer Abweichung, etwa derart, dass zwei Blüten sich höher reckten, während dann zwei andere tiefer in der Vase blieben. Um dies zu erreichen, krümmten sie beispielsweise ihren zarten Stiel.
Wer nun das Geschilderte nicht glauben kann, «weil nicht sein kann, was nicht sein darf», dem empfehle ich, in diesem Frühjahr Kapuzinerkresse im Garten oder in einen Blumenkasten auszusäen und die geschilderten Versuche selbst vorzunehmen. Er wird sich wundern …!
Welch ein schöner Zufall …
die Kapuzinerkresse ist Arzneipflanze des Jahres 2013!