Wim Wenders ist ein Meister des Films. Sebastião Salgado ein Meister der Fotografie. Meisterschaft meint hier, dass sie ihr Medium nicht nur technisch voll beherrschen, sondern es so ausfüllen, dass sie damit die Tore der Welt öffnen. Sie geben ihrem Handwerk die Essenz, das Salz hinzu. Wenn nun der eine Meister (Wenders) den anderen Meister (Salgado) aufsucht, um mit seiner Kunst dessen Können zu zeigen, sind die Erwartungen an das, was dabei herauskommt, hoch.
Herausgekommen ist der Dokumentarfilm Das Salz der Erde, den Wenders in Zusammenarbeit mit Salgados Sohn Juliano Ribeiro Salgado gedreht hat, der seinen Vater in den vergangenen Jahren oft mit der Filmkamera begleitete.
Nicht gerade bescheiden verknüpft der Titel des Films das Wort der Bergpredigt mit der Person Salgados, dessen Name auf Deutsch «Salz» bedeutet. Man mag es den Filmemachern nachsehen, denn Salgados Fotografien sind episch, archaisch, menschlich, göttlich, ikonisch, apokalyptisch und deshalb geradezu biblisch. Sie zeigen die Erde und den Menschen mal so, als ob ein Göttliches wie sicher hinter allem steht, und dann wieder so, als wäre alle Welt von Gott verlassen. Aber selbst in den verlassensten Momenten steht Salgado als Mensch da, wenn er das Unmenschliche fotografiert. Er bleibt respektvoll und versteht sich auf eine Komposition, die seine Schwarzweißfotografien zu ernsthaften, würdewahrenden Bildern macht.
Salgado hat ins tiefste Leid geblickt und die erhabenste Schönheit gesehen. Der Film lässt daran teilhaben. Man muss es allerdings aushalten. Gerade dann, wenn es ums tiefste Leid geht, kann er an die Grenzen des Erträglichen führen. Dann, wenn in langen Einstellungen Salgados Fotografien der Hungersterbenden in Äthiopien zu sehen sind, die Opfer des Völkermordes in Ruanda, die Flüchtlingsströme im Kongo oder im ehemaligen Jugoslawien. Seine Bildsprache mag bei diesem Aushalten helfen, aber sie verschleiert nicht den Schrecken.
Erlösend wendet sich der Film dann wieder ab und blickt in das Gesicht des Fotografen, während dieser im Anblick seiner Fotografien, ruhig erzählend nochmals an die Orte des Geschehens reist. Es ist das Gesicht eines Siebzigjährigen, in das sich Melancholie eingeschrieben hat. Rastlos war er als sozial engagierter Berichterstatter in der Welt unterwegs. Und beinahe wäre er an dem, was er gesehen hat, zugrunde gegangen. 1994, nach seiner Rückkehr aus Ruanda, ist ihm der Glaube an die Menschheit abhanden gekommen, er wird krank an Leib und Seele. «Es war mein innerliches Ende», gesteht er in einem Interview.
Er kehrt zurück nach Brasilien, das er während der Militärdiktatur Ende der 1960er Jahre verlassen hatte, um in Paris als Ökonom zu promovieren. Danach hatte er einen gut bezahlten Job bei der Weltbank aufgegeben um sich ganz der Fotografie zu widmen. Zurück auf der Ranch seines Vaters beginnt er zusammen mit seiner Frau die Wüste aufzuforsten, die mittlerweile den Regenwald seiner Kindheit verdrängt hat. Der Film bezeugt das Wunder, das den beiden da gelingt. Die nächsten acht Jahre vertieft sich Salgado auch fotografisch ganz in die Natur und bereist für sein Projekt Genesis jene Orte, in denen sie noch ursprünglich ist. «In Genesis sprach die Natur durch meine Kamera und ich durfte zuhören.» Salgado erfährt Heilung. «Man könnte sagen, dass es die Natur war, die ihm geholfen hat, seinen Glauben an die Menschheit nicht zu verlieren», sagt Wim Wenders. Sein Film über den Mensch und Fotograf Salgado ist in der Tat meisterhaft.