Was die Couch für Sigmund Freud ist, das ist der Heilzuber (frz. Baquet) für Franz Anton Mesmer – ein Möbel, das für die psychotherapeutische Behandlung von Patienten entwickelt und genutzt wurde. Die berühmte Couch kann heute im Freud Museum in London besichtigt werden, das nicht minder bedeutende Baquet ist ab dem 23. April 2015 das Prunkstück der Ausstellung Magie des Heilens. Die wundersamen Erkundungen des F. A. Mesmer, einer Gedenkschau in Meersburg am Bodensee zum 200. Todestag des Wunderdoktors und Mitbegründers der Psychotherapie.
Von Mesmer (1734 – 1815) zu Freud (1856 – 1939) verläuft eine direkte Linie, die sich in der Geschichte des Unbewussten ziehen lässt. Während jedoch an Freud bei jedem Versprecher gedacht wird, ist Mesmer weithin vergessen. Dabei war er vor und nach der Französischen Revolution eine der schillerndsten und faszinierendsten Gestalten in Europa mit Fernwirkung bis in die Gegenwart. Nicht nur die Mediziner setzten sich mit seinen Ideen auseinander, auch die Philosophen und Schriftsteller ließen sich von ihm inspirieren. Insbesondere in Werken von Jean Paul, E.T.A. Hoffmann und Heinrich von Kleist, aber auch bei Charles Dickens, Honoré de Balzac, Edgar Allen Poe und in jüngerer Zeit bei Peter Sloterdijk und Alissa Walser schlug sich seine Lehre nieder. Für Arthur Schopenhauer war der «Mesmerismus, vom philosophischen Standpunkt aus betrachtet, die inhaltsschwerste aller jemals gemachten Entdeckungen, wenn er auch einstweilen mehr Rätsel aufgibt als löst». Und Samuel Hahnemann, der Begründer der Homöopathie, sah in Mesmers Lehre «ein wundersames, unschätzbares, dem Menschen verliehenes Geschenk Gottes».
Die Ausstellung in Meersburg zeichnet Mesmers wundersames Leben und seine geheimnisvolle Lehre nun minutiös nach: vom Aufstieg des Förstersohns vom Bodensee zum Wunderdoktor in Wien und späteren Mittelpunkt der Pariser Gesellschaft, für den sich auch die Königin Marie Antoinette höchst selbst einsetzte. Und die allmähliche Entwicklung seiner Heilpraxis vom traditionellen Arzt, dessen Hauptbeschäftigung im Aderlass, im Schröpfen und im Verabreichen von Abführmitteln bestand, zum Psychotherapeuten, der seine Patienten mit seinen Augen oder dem Magnetisierstab fixierte und so in einen hypnotischen Zustand versetzte, aus dem sie ganz entspannt und wie verwandelt erwachten.
Höhepunkt der Ausstellung und einzigartiges Exponat aber ist das erwähnte Baquet aus dem Medizinhistorischen Museum der Universität von Lyon. Mesmer hat dieses zuberartige Möbel und zentrale Instrument seiner Behandlungen während seiner Pariser Zeit zwischen 1778 und 1785 entwickelt. Es verkörpert idealtypisch seine wissenschaftlichen Ideen und sein ganz besonderes Heilverfahren. Denn mit Hilfe dieses Möbels erfand Mesmer die psychologische Gruppentherapie. Wie glaubhaft bezeugt ist, fielen die Patienten, die sich um das Baquet versammelten und mittels Hanfschnüre verbanden, reihenweise in Ohnmacht, erlebten die Krise, die Mesmer vorausgesagt hatte, und fühlten sich nach einer oder mehreren Anwendungen geheilt. Das Baquet aus Lyon ist das einzige heute noch vorhandene Relikt von Mesmers Therapiesitzungen, und es lässt sich in der Besitzfolge direkt auf ihn selbst zurückführen. – Sein ganzes Leben lang hatte sich Mesmer für sein Heilkonzept eingesetzt. Im August 1816 bestätigte die Berliner Akademie der Wissenschaften schließlich in einem Gutachten die wesentlichen Momente seines Heilverfahrens. Für Mesmer kam das Urteil allerdings siebzehn Monate zu spät, denn er war am 5. März 1815 in Meersburg verstorben. 200 Jahre später ist es an der Zeit, ihn wiederzuentdecken!