Dieses Schatzkästchen am Weimarer Park! Von seinen Schätzen werden jetzt Bücher zum Thema Dante Alighieri (1265-1321) gezeigt.
Doch zuerst ins Obergeschoss: Der Rokokosaal ist ein ovaler, intimer, an Schönheit wohl unübertroffener Raum voller Weiß und Gold, bis hinauf zur dritten Galerie. Die Herzogin Anna Amalia hatte das Grüne Schlösschen aus dem 16. Jahrhundert für die Bücher der Herzoglichen Bibliothek (gegründet 1691) umbauen lassen. 35 Jahre lang hatte Goethe die Oberaufsicht. Seit dem 300. Jubiläum 1991 lautet der Name Herzogin Anna Amalia Bibliothek.
In der Nacht des 2. September 2004 brannte der Dachstuhl! Unter Lebensgefahr retteten Mitarbeiter einen Teil der Schätze. Drei Jahre später konnte die Bibliothek wieder öffnen. Oben in der dritten Galerie wurde ein kleiner Forschungslesesaal eingerichtet, ein «Zentrum für das alte Buch» mit viel versteckter Technik.
Erstaunlich ist alles hier im Rokokosaal. Die Bücher, die Bilder und die vielen Büsten von Dichtern und Künstlern. Wie kraftvoll Goethes Kolossalbüste von d’Angers wirkt! Wie fest und energisch Herzog Carl August von F. Jagemann porträtiert ist! Aber das Aufregendste ist die Büste Goethes an der Empore, mit Dantes Büste auf der gegenüberliegenden Seite. Die geistigen Schirmherren des Hauses? Goethe, ja. Aber Dante?
Im nüchternen Renaissance-Saal unten – mit der Ausstellung Dante, ein offenes Buch – grüßen Dante und Goethe gemeinsam die Besucher: als Dantemaske aus Goethes Besitz und als Goethe-Büste von Klauer.
Die erste der 16 Themenvitrinen erzählt von Francesca und Paolo, deren Liebesgeschichte Dante im Inferno schildert. Goethes Werther enthält ein ähnliches Sujet. Dantes Lehrer waren Vergil und Brunetto Latini. Von letzterem stammt das Buch Il Tesoretto (Der Schatz), hier in einer Ausgabe von 1528.
Doch wie kommt Dante nach Dresden? Das Leben des Königs Johann von Sachsen änderte sich grundlegend durch die Divina commedia, die er in Pavia erstand. Als «Philalethes» übertrug er sie ins Deutsche. Zu seinem Umkreis gehörten Carl Gustav Carus und Karl Witte, Gründer der Deutschen Dante-Gesellschaft in Dresden (1865, seit 1921 in Weimar).
Weitere Höhepunkte sind Liszts Musik zu Dantes Epos, Goethes eigene Dante-Bücher und der Film Tutto Dante (Florenz 2008) mit dem auswendigen Vortrag des Schauspielers Roberto Benigni.
Die gut durchdachte Ausstellung wirkt trotz vieler Exponate nicht überladen. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Zeit um 1800. Wer sich allem intensiv zuwendet, kann hohe Freude erleben. Der sorgfältig erstellte, schöne Katalog enthält faszinierende Betrachtungen, die das Gesehene zum bleibenden inneren Besitz machen.
Dante ist seit mehr als 700 Jahren ein Geheimtipp. Viele kennen zwar seinen Namen, aber nicht sein Werk. Das offene Buch ist Leitmotiv der Ausstellung sowie Attribut Dantes, wie bei einem Heiligen. Sein Epos, als Blick in den christlichen Kosmos, ist selbst ein «offenes Buch». Dantes Werk für das heutige Publikum zu öffnen, ist Anliegen dieser großartigen Ausstellung, die von der Klassik Stiftung Weimar, der Herzogin Anna Amalia Bibliothek und der Friedrich-Schiller-Universität Jena ausgerichtet wurde.
Draußen ist es dunkel geworden. Vom Tiefmagazin unter dem Platz sieht man auch bei Tage nichts. Wie märchenhaft das alte Bücherschloss mit seinen erleuchteten Fenstern wirkt!