An einem Februarabend vor 100 Jahren veränderte in der Spiegelgasse 1 in Zürich das Cabaret Voltaire den Blick auf das, was Kunst ist – sein kann und will. Dada war da.
Bis zum dritten Julinachmittag 100 Jahre später kann in der Hauptstraße 60–64 in Bietigheim-Bissingen die Ausstellung ZweiKlang besucht werden, in der man der Kunst und den kunstvollen Texten von Sophie Taeuber und Hans Arp begegnen kann.
Von den Konventionen der Gesellschaft und den Regeln der Kunst wollte sich die Dada-Bewegung befreien. Von der traditionellen Formsprache und den gängigen Materialien wollten sich auch der Maler, Bildhauer und Lyriker Hans Arp und die Innenarchitektin, Malerin und Textilgestalterin Sophie Taeuber befreien, die zu den klugen und wortreichen Stimmen der ersten Dada-Stunden in Zürich zählten.
Das ist der äußere Anlass für diese Ausstellung. Den inneren begreift man sogleich, wenn man die kleine Städtische Galerie betritt, in der Astrid von Asten, Kuratorin des Arp Museums Bahnhof Rolandseck, mit Sorgfalt und einem treffsicheren Gespür für die Raumstimmung des kleinen, betonverwinkelten und doch nirgends engen Gebäudes die 120 Skulpturen, Gemälde, Collagen, Papier- und Textilarbeiten des Künstlerpaares arrangiert hat. Überall begegnet man dem Gemeinsamen, das ohne ein Trennendes jedoch nicht erlebbar wäre.
Wie sehr das vorerst endgültig Trennende, der Tod, einen Künstler auch in seiner Formsprache zu erschüttern vermag, sieht man gleich zu Beginn der Schau: Im milden Lichtkegel steht die Bronzeskulptur Vogelskelett, die Hans Arp 1947 nach mehrjähriger Schaffenskrise fertigte – für seine Sophie, die 1943 unerwartet an einer Kohlenmonoxidvergiftung gestorben war. Waren seine Skulpturen zuvor amorphe, meist geschlossene Objekte, so hat diese Durchbrüche und sich ausdehnende «Dornen», die orientierungslos in alle Richtungen auf der Suche nach etwas scheinen.
Die gemeinsame Suche in der Kunst und im Leben begann für Sophie Taeuber (19. Januar 1889 – 13. Januar 1943) und Hans Arp (16. September 1886 – 7. Juni 1966) rund um die Dada-Gründungsjahre, die sie im Kreis von Hugo Ball, Tristan Tzara, Emmy Hennings, Richard Huelsenbeck und Marcel Janco diskussionsreich feierten. Und während sich Hans Arp gerne der Zufallsmethode bediente und eine Vorliebe für fließende Umrisse hatte, arbeitete Sophie Taeuber sehr gezielt mit klaren, geometrischen Formen. Wer an den klassischen Zuordnungen von – angeblich – weiblich-weichen und männlich-methodischen Denkmustern haftet, lernt bei diesem Künstlerpaar dieses Vorurteil in Bewegung zu bringen. Und ganz gleich, ob organisch und fließend oder geometrisch und streng – beide strebten, mal an einem Thema gemeinsam gestaltend, mal jeder für sich allein arbeitend, nach der Darstellung einer potenziell endlosen Vielfalt, die durch das variable Anordnen formal gleicher Elemente erreicht werden kann. Auch das ist in der thematisch gegliederten Ausstellung beim vergleichenden Betrachten der Exponate dieser zwei so innig miteinander verwobenen Kunstmenschen erlebbar.
«Das Bilden des Künstlers sollte Träumen genannt werden, statt arbeiten», befand Hans Arp. Und sein Träumen endete nicht in einer Form, sondern erweiterte sich in deren Beschreibung. «Wenn er sich hätte entscheiden müssen, ob er lieber Künstler oder Dichter sein wolle, hätte er sich für die Dichtung entschieden», vermutet Astrid von Asten. «Darum hat er auch seine Objekte, Collagen und Zeichnungen gern betitelt und ihnen oft auch noch komplette Gedichte mit auf den Weg gegeben.» Viele seiner Texte sind auch in der Ausstellung ZweiKlang – so nannte Arp selbst die Beziehung von sich und Sophie Taeuber – zu lesen und schenken ein besonderes Zusatzglück beim Betrachten der Bilder und Skulpturen im Vielklang der ergänzenden Worte.