Du kommst mit dem Zug gegen 11 Uhr an der Gare de l’Est an, freust Dich auf sechs Tage Paris Photo, stellst deinen Koffer in der Unterkunft ab und spazierst los. Keine 30 Minuten später traust du deinen Augen nicht! Ein äußerst ungewöhnliches Objekt passiert gerade die Schleuse des Canal Saint Martin unterhalb der Place de la République.
Claudius Schulze kommt mit seiner selbst gebauten «Eroberung des Unwahrscheinlichen» gerade von der Unseen in Amsterdam und schippert die letzten Meter seiner 500 Kilometer langen Reise zu seinem Liegeplatz auf der Seine. Auch dieser Ort hat Zauber – das Hausboot wird direkt unterhalb des Musée d’Orsay vertäut, nur einen Steinwurf vom Grand Palais entfernt.
Gemeinsam mit dem Berliner Künstler und Fotografen Maciej Markowicz war Claudius Schulze im Rahmen der Triennale der Photographie in Hamburg unterwegs. Dort werden sie nun Anfang Juni an den Landungsbrücken anlegen, um zahlreiche Veranstaltungen zu begleiten.
Der Wissenschaftler, Künstler und Fotograf Claudius Schulze, 1984 in München geboren, hat sich sein Boot mit der Unterstützung einiger talentierter Freunde selbst gebaut. Das wundersame Hausboot mit dem noch wundersameren Namen ist fast komplett aus recycelten Materialien entstanden. Besonders auffällig sind die großen alten Fenster – Licht- und Aussichtsspender in einem. Schulze hat sein Boot als schwimmendes, gemütliches Atelier und Studio konzipiert. Während meines Besuchs lief im Badezimmer die Waschmaschine und ein Ofen sorgte im Hauptraum für angenehme Temperaturen. Durch die Fenster strahlte die Pariser Sonne. Ein großformatiges Werk aus seiner STATE OF NATURE-Serie zog automatisch den Blick auf sich. Über sechs Jahre hat der Künstler in die Arbeit zu diesem Projekt investiert. Der gleichnamige, 172 Seiten starke Bildband erschien letztes Jahr bei Hartmann Books in Stuttgart und ist ein echtes Fotokunstwerk geworden.
Angeregt von seiner als Stadtplanerin arbeitenden Schwester und dem nachdenklich stimmenden Buch Naturrisiken und Sozialkatastrophen von Prof. Dr. Thomas Glade startete Claudius Schulze mit seinen Recherchen und den Aufnahmen mit seiner Großbildkamera. Fotografiert hat er aus erhöhter Perspektive mit Hilfe eines Kranwagens. Sechs Jahre lang und 50.000 Kilometer vom Norden bis in den Süden Europas. Auf all seinen Bildern tauchen in den pseudo-idyllischen Motiven Störenfriede in Form baulicher Eingriffe in die Natur auf. Die Fotos sind ästhetisch gestaltet und regen zum Nachdenken über unsere Gesellschaft und ihren – also auch unseren – Umgang mit der Natur an. Gezeigt wurden die 1 x 1,25 Meter großen und beeindruckenden Bilder bereits in Amsterdam, in Hannover, in Hamburg und in Berlin.
Wer zur Phototriennale, die am 7. Juni beginnt, anreist – was sich stets lohnt –, sollte nach Möglichkeit einen Abstecher zur «Eroberung des Unwahrscheinlichen» an den Landungsbrücken einplanen. Manchmal wird selbst das Unwahrscheinliche fantastisch und real zugleich …