Man kann das prächtige Buch, Die Kuh – Eine Hommage, mit seinen 480 Seiten aufschlagen, wo man will, und ist sogleich in seiner Mitte. Das fast 3,5 kg mächtige Werk nimmt unmittelbar gefangen. Wer nur wenige Seiten darin liest und vor allem schaut, ist verzaubert, ist nicht mehr der gleiche Mensch wie zuvor. Wie ein gewaltiges Herz formen sich beim Ankole-Vieh aus Uganda die Hörner über dem Haupt. Hörner, die vom Blut durchströmt und warm sind. So würden die klugen Tiere ihre Wüstenwärme abgeben, erklärt Werner Lampert.
Alle Kontinente hat der passionierte Biopionier, Unternehmer und Autor mit seinem Fotografinnenteam Ramona Waldner und Judith Benedikt bereist, um die Vielfalt des Viehs ins Bild zu bringen, und bei fast allen Bildern meint man, die Fotografinnen hätten diese eindrucksvollen Tier- wesen jeweils befragt, bevor sie auf den Auslöser gedrückt haben. Gelassen und stolz präsentieren sie sich auf den großformatigen Bildern. Da ist nicht ein schöner Schnappschuss gelungen, da war keine versteckte Kamera am Werk, sondern es ist ein stilles Bildgespräch entstanden, in das man als Leser und Betrachter eintaucht. Mal ist so das Antlitz einer Kuh, ihr Blick eingefangen, mal die Gemeinschaft einer Herde, aus der ein Tier herüberschaut, oder ein einzelnes Vieh in der endlosen Steppe der Mongolei.
Doch nicht nur die Bilder sind – wie es für Kühe nicht anders sein sollte – voller Kraft, auch die Sprache des Buches ist es. Das Rind sei unser engster Gefährte, so erklärt es Lampert immer wieder, ob es um die Nomaden Zentralafrikas geht oder die Bauern in Südtirol. Er geht in der Geschichte weit zurück und schreibt, es sei die «aufregendste Theorie», dass die Ahnen des Menschen, der Homo erectus, und die Ahnen der Kuh, der Auerochse, zur gleichen Zeit auf der Erde erschienen sind – vor rund 700.000 Jahren. Es ist, das zeichnet Lampert in immer neuen Linien nach, ein gemeinsames Schicksal gegenseitiger Hilfe und Förderung, weshalb mit Recht immer wieder vom «Gefährten» Rind die Rede ist. Berührt hat mich auch der Gedanke, dass sich das Rind in die Obhut des Menschen gegeben habe. Es wurde nicht domestiziert, es hat sich domestizieren lassen. Die Geschichte des Menschen ist die Geschichte der Partnerschaft mit dem Rind, so Lampert, wobei das Rind uns in dieser 10.000 Jahre alten gemeinsamen Geschichte nie im Stich gelassen hat. Das ist so ein Satz, der an der Oberfläche unsinnig klingt, aber wiedergekäut beginnt er überaus schwer zu wiegen. Und noch etwas hätten die Rinder uns Menschen gelehrt: Verlässlichkeit, Beständigkeit und Gelassenheit.
Werner Lampert verschweigt aber auch nicht, was wir in der industriellen Landwirtschaft aus dem Gefährten Kuh gemacht haben. Und weil er dabei ein Füllhorn an Kuh-Schönheit ausgießt, spricht aus der Mahnung des überzeugten Bio-Unternehmers der ersten Stunde eine moralfreie Moral. Im Vorwort zitiert er den kürzlich verstorbenen Liedermacher und Sänger Leonard Cohen – und gibt uns allen damit einen Hinweis: I saw a bunch of cows in a field. And I noticed how beautiful they were that I go down on my knees to worship them. And, do you know, those cows were so happy. The more I worshipped them the happier they became.