Vierzig Ausstellungen zeigt das saarländische Fotografie-Festival Pictures of Pop und markiert damit eine neue Qualität der Verbindung von Popkultur, Medien und Design. Nicht um die Top Acts geht es hierbei, sondern um das, was die Menschen im Land gern haben: gute Unterhaltung mit möglichst hohem Niveau. Drei dieser Ausstellungen werden von einem Künstler bestritten – sicher ein Zeichen von Wertschätzung und Bekanntheit im Lande. Victor van der Saar gibt diese Wertschätzung aber auch gleich zurück, indem er eine der drei ausgestellten Serien unter dem Titel Come as you are mit Bilder von Menschen bestückt, die in irgendeiner Weise etwas mit dem Saarland und seiner Kultur zu tun haben. So wie die oder der Einzelne gerade ist, so wird sie oder er abgelichtet, und das im besten Sinn des Wortes: Fast immer ist das Licht mild und schmeichelt den Porträtierten. Mit besonderer Sorgfalt wird die Höhe des Aufnahmestandpunkts festgelegt – manch einer sieht sich gern erhöht, andere stehen zu sich selbst und damit zum Fotografen in größerer Distanz.
Die bekannteste Bildserie von Victor van der Saar heißt 11METER und beschreibt genau das: Er fotografiert Bolzplatztore immer vom Elfmeterpunkt. Nur stehen diese Tore überall dort, wo er gerade hinkommt, also in aller Welt. Die Bilder zeigen einen Fußball, wie er sein sollte, als Ballspiel mit dem Einschieben des Runden ins Eckige als Ziel. Das Eckige zeigt er in allen nur denk- und sichtbaren Varianten; das Runde sind unsere Augen und unser Gehirn, das den imaginierten Ball sofort dort hineinrauschen lässt.
Bei vielen Bildern ist der erste Eindruck, dass es sich um eine Landschafts- oder Architekturaufnahme handelt, doch der zweite Blick demonstriert, dass der Bildbetrachtende das Tor schießen muss, nicht der Fotograf.
Die dritte Ausstellung widmet sich dem modernsten Verfahren der Fotografie: dem Tagebuch aus Notizen mit dem Smartphone – daher der nur laut lesbare Titel MobEYEle dEYEary.
Es sind Bilder im Vorübergehen, zudem in der klassischen Ästhetik der Instagram-Software aufgearbeitet, mit schwarzen oder hellen Rahmen, zackiger oder abgerundeter Begrenzung. Was man sieht, sind Schilder, Blumen, Objekte und kleine Situationen am Rande des alltäglichen Geschehens – oft wird geschmunzelt beim Ansehen, eine rare Qualität in der Kunst. Alle Bilder sind quadratisch und zitieren einmal mehr die analoge Fotografie früherer Rollfilmkameras.
Ort von zwei der drei Ausstellungen ist das saarländische Finanzministerium, 1963–65 nach Plänen von Walter Nobis errichtet, ein schöner, fein austarierter Bau der späten Moderne und Gegenstück zum Schönecker’schen Museum ein wenig weiter die Saar hinauf. Im Inneren hat die Hochschule der Bildenden Künste Saar für mehr als ein Jahrzehnt die alljährliche Diplomausstellung der Industrie-Designerinnen und -Designer ausgerichtet. Die Bildserien von Victor van der Saar können an den langen Flurwänden narrative Kraft entfalten, und es bleibt immer genügend Abstand, um immer mindestens drei Fotografien miteinander zu vergleichen. Und selbst wenn der Pop nicht unbedingt im Finanzministerium beheimatet zu sein scheint, so ist es das Design allemal. Fotografie und Pop mögen hier Anlass sein, auch im popkulturellen Pseudonym des Fotografen. Deshalb sollte man sich für jedes einzelne Bild die Zeit einer eingehenden Betrachtung nehmen. Es lohnt sich!