Funny van Dannen im Gespräch mit Doris Kleinau-Metzler

Fischsuppe mit Pudding

Nr 151 | Juli 2012

Einige seiner Lieder sind im besten Sinne des Wortes fast Schlager, so eingängig, dass man gern mitsummt, mit Texten, die einfache Wahrheiten sind und berühren. Unvergesslich Funny van Dannens «Gib es zu, du warst im Nana Mouskouri Konzert, ... ich war auch da, und du hast geweint» über die coolen Erfolgreichen (1995). Damals gingen die drei Fans, die mit dem T-Shirt-Aufdruck «Menschenverachtende Untergrundmusik» (CD 2002) vor dem Kulturzentrum in Bochum stehen, noch zur Grundschule. Warum sind sie und andere ihres Alters hier (gemeinsam mit manchen jenseits der 50)? «Wir lieben seine Texte!» Ohne Pathos, dennoch eindrücklich und gewürzt mit knappen ironischen Bemerkungen trägt Funny van Dannen mit Gitarre und Mundharmonika seine Lieder vor. Ist das einfach Blödelei («Spaghetti Mikado»), ernst gemeint («Ich aß drei Tage Fischsuppe, weil sie sonst keinem schmeckte, … mir schmeckte sie auch nicht, doch die Fische sollten nicht umsonst gestorben sein»)? Oder womöglich sozialkritisch («Oh, Acker»)? Vor allem aber ist es Poesie mit ungewöhnlichem Themenspektrum. Immer erzählt Funny van Dannen eine Geschichte, erzählt von Dingen, Menschen und Tieren – und berührt Wesentliches. Funny van Dannen, der seine Themen auch als Maler und Buchautor bearbeitet, bringt mehr als unsere Schmunzelmuskeln in Bewegung.

Doris Kleinau-Metzler | Funny van Dannen, bei der Vorstellung, dass Pudding geworfen wird, denkt man zunächst an einen außer Kontrolle geratenen Kindergeburtstag – genau wie bei dem Lied Eckig, das aber durch «dreckig» eine wundersame Verwandlung erfährt. Singen Sie auch Lieder für Kinder?
Funny van Dannen | Ich finde, Kinder gehören nicht auf meine Konzerte, auch wenn einzelne Lieder vielleicht für manche Kinder geeignet sind. Mir scheint, dass einige Menschen Fantasie, Gefühle und gewisse kindliche Anteile in meinen Texten mit Liedern für Kinder verwechseln. Aber in den Liedern ist so viel, was nicht für Kinderohren geeignet ist.

DKM | Als Vater von vier Söhnen sprechen Sie aus Erfahrung. Welche Rolle spielen die Kinder in Ihrem Leben?
FvD | Es ist erst einmal großartig, die Kinder aufwachsen zu sehen, wie toll sie als Kleine sind, und wie sie sich dann weiterentwickeln. Klar, bevor ich meine Frau traf, habe ich überhaupt nicht an Familie gedacht. Damals galt es zudem in Künstler­kreisen eigentlich als unmöglich, Kinder in diese Welt zu setzen, bei der atomaren Bedrohung – verständlich, aber auch schrecklich, diese Auffassung. Wie viel Lebensfreude dadurch verhindert wird, ist unermesslich! Parallel dazu war es für meine Frau und mich schmerzlich zu erleben, wie die Möglichkeiten der Kinder gerade in schulischer Hinsicht beschnitten werden. Das ist eine traurige Erfahrung für uns, denn sie sind dort nicht annähernd so gefördert worden, wie sie es verdient hätten. Teilweise waren wir schockiert, welche Lehrkräfte heute noch ihr Unwesen treiben; das ist, als ob ein unsportlicher Mensch eine Profi-Sportler­karriere macht. Die Gesellschaft trägt für mein Gefühl nicht das Nötige bei, um die Kinder wirklich in ihrem Potenzial zu fördern.

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Fotos: © Sven Hagolani & Carla Meurer

DKM | Da würden manche Eltern zustimmen. Was wäre eine gute Schule für Sie?
FvD | Für mich ist die Qualität der Lehrer wesentlich. Vielleicht kann jemand Physik oder Mathe gut, ist aber eher unfähig, mit Menschen zu kommunizieren. Doch in der Schule ist entscheidend, wie er mit Kindern, mit einer Gruppe von Kinder umgehen kann und daraus das Verständnis für den Stoff vermittelt. Deshalb ist die Lehrerausbildung sehr wichtig; schon zu Beginn der Ausbildung müsste viel mehr darauf geachtet werden, wie und ob jemand mit Kindern umgehen kann, wie das in Holland ist. Und genau wie Eltern müssten auch Lehrer immer weiterlernen.

DKM | Wozu Kinder, fragen sich heute manche junge Menschen, was bringt das außer Arbeit? Beruf, Karriere, Freizeitmöglichkeiten fordern und bieten viel.
FvD | Die Frage ist schon falsch, Kinder müssen nichts bringen! Sie sind für sich selbst da. Es ist genau andersherum – man muss als Eltern für die Kinder da sein. Heute scheinen Kinder manchmal sogar zum Lifestyle-Optimum zu gehören nach dem Motto: «Das bräuchte ich jetzt noch zum Glück» oder «Seitdem meine Tochter auf der Welt ist, weiß ich erst …». Braucht man Kinder, um sich selbst zu finden? Es geht um die Kinder, nicht um mich, damit ich mich damit schmücke.

DKM | Sie singen oft über das Glück wie in Fang den Pudding oder über das, was man sich wünscht: ein eigenes Haus, Gesundheit, Geld. Und dann der «bescheidene» Wunsch nach einem «Butter­brot» an den lieben Gott wie in dem gleichnamigen Lied?
FvD | Was Glück ausmacht, ist für jeden Menschen natürlich verschieden. Für mich sind die Liebe zu meiner Frau, die Familie, unsere Kinder, die Arbeit, Gesundheit wichtig – und gesellschaft­licher Frieden, soziale Gerechtigkeit. Erst das macht überhaupt ein angenehmes Leben möglich, was ja in vielen Teilen der Welt nicht so ist, denn der Standard, den wir haben, ist nicht selbstverständlich. Im Grunde sind hier gute Voraussetzungen für ein glückliches Leben gegeben, aber natürlich haben wir auch andere Probleme und Widerstände, sodass es für die meisten Leute schwierig scheint, das Glück zu finden. Selbst für den, der gerne in seinem Beruf arbeitet, sind die Anforderungen heute oft so hoch, dass Erschöpfungszustände kommen, man nennt das dann «Burnout». Diese Arbeitsintensität, zu der auch die ständige Erreichbarkeit per Handy gehört, geht tatsächlich an die Seele. Aber das Bewusstsein, dass eine tolle Karriere nicht alles ist, ist in den letzten zehn Jahren gewachsen.

DKM | Auch in Fischsuppe geht es um Verantwortung, sogar entgegen dem eigenen Wohlgefühl, da die Suppe nicht schmeckt: «… denn die Fische sollen nicht umsonst gestorben sein.» Bei uns werden viele Lebensmittel weggeworfen, aber welche Konsequenz zieht jeder Einzelne daraus? Ihr Text ist dennoch kein moralischer Appell, Sie beschreiben die Fische in ihrem Umfeld: «Sie schwammen mit Verwandten durch das Meer, sie wirkten so lebendig und sie glänzten und mir wurde das Herz so schwer.»
FvD | Das Lied ist für mich «halb-ernst». Es gehört zur Achtung für die Kreatur, dass man nicht leichtfertig etwas kocht und dann in den Abfall wirft. Durch die Beschreibung hole ich die Fische etwas aus der Masse: Schaut mal, die Fische haben auch eine Familie! Das ist dann wie ein Kontrast zu den Bildern, die man von diesen Fangflotten kennt, wo viele Tonnen aus dem Netz aufs Deck schwappen, man sieht nur dieses Gewusel. Schrecklich, dieses massenhafte Fangen, die brutalen Fangmethoden des kommerziellen Fischfangs mit Schleppnetzen und sogenanntem «Beifang», der Abfall wird.

DKM | Wie kommen Sie auf die Ideen zu den so unterschiedlichen Texten wie Unterhosentattoo, Wild­schweinschädel und Erleuchtet? Und wie sind Sie zum Schreiben, Singen und Malen gekommen?
FvD | Bei manchen Liedern sind nach dem Einfall Text und Musik sofort da, wie bei Was Krieg ist; andere liegen lange, und ich probiere immer wieder, bis es die Form hat, in der ich es gut finde. Wenn ich auf einer CD zwanzig Lieder veröffentliche, dann habe ich in der Regel mindestens sechzig Lieder gehabt und vorher aussortiert. Das Singen fing bei mir schon früh an – mit Dialektliedern in meiner Heimat. Auch gemalt und gestaltet habe ich immer gern. Malerei ist mir bis heute wichtig, auch wenn sie nach außen nicht im Vordergrund steht, der durchschlagende wirtschaftliche Erfolg nicht so da ist. Malen ist für mich gleichwertig mit dem Schreiben – der Unterschied liegt nur in der Öffentlichkeit. Im Kunstmarkt hat man es zudem oft mit einer bestimmten Gesellschafts­schicht zu tun, die Kunst im Prinzip zur Dekoration nutzt. Das lehne ich ab, es geht mir nur um Kunst.

DKM | Was heißt «nur um Kunst»?
FvD | Mir ist es wichtig, dass die Kunst etwas sagt. Ich möchte einen Ausdruck des Menschen darstellen – Seele ist ein großes Wort …

DKM | Wie ist das Leben als Künstler in Zeiten des Internet, wo diskutiert wird, wie Künstler ihre Urheberrechte schützen können?
FvD | Für alle Musiker, die nicht mit ihrer CD in den «Top Ten Charts» stehen, waren die letzten zehn Jahre relativ katastrophal. Wenn sie nicht noch Live-Auftritte hätten, wäre es für viele nicht möglich, von ihrer Arbeit zu leben. Das ist manchen Vertretern etwa der Piratenpartei vielleicht nicht klar, weil sie selbst nicht kreativ arbeiten. Es ist scheinbar so, dass viele Leute auch durch das Internet, das Raubkopieren in so eine Art «Mitnahmegesellschaft» hineingewachsen sind. Sie denken nicht nach, was es für einen Künstler, der auf das Einkommen angewiesen ist, bedeutet, seine Sachen einfach so, für nichts wegzugeben.

DKM | Manche können sich vielleicht die Arbeit eines Künstlers nicht vorstellen, meinen, dass man das nebenher macht, wie man einen lustigen Text auf Facebook schreibt. Wie sehen Sie für sich in die Zukunft – älter werdend?
FvD | Klar merke ich auf der Bühne auch mein Alter, aber man muss sich in einem klar sein: Der menschliche Organismus ist kein Perpetuum mobile. Ob ich in zehn Jahren noch die Kraft habe, um weiterzuarbeiten, weiß ich nicht. Aber ich möchte mich nicht schon vorab ständig mit der Bedrohung durch Krankheit und Alter beschäftigen – das ist der Gesundheit sicher auch nicht förderlich. Mit der Malerei habe ich noch einiges vor und freue mich, dass ich das noch in Angriff nehmen kann.

Fang den Pudding

«Bloß nicht festlegen», sagte das Wasser, «ihr wisst ja: Alles fließt.»
Doch der Wasserhahn tropfte und sagte: «Na ja, es kommt vor, dass man Tränen vergießt.»
«Wir brauchen mehr Drive», rief ein Auto, und der Kampf schrie: «Wir müssen fighten!»
«Seid mal leise!», brüllte die Stille, «die Wiese will uns was unter-
breiten.»

Und die Gegenwart malte ein Bild von der Zeit, als es uns allen noch so gut ging, und die Zukunft fing an, und dann waren wir dran, und das Glück rief:
«Fang den Pudding, fang den Pudding, fang den Pudding
und halt ihn fest.»
«Fang den Pudding und wirf ihn zurück zu mir», rief das Glück, «und behalt den Rest!»

«Viel zu oberflächlich», meinten die Gräben, «das müssen wir noch
vertiefen.»
Und ein Standpunkt fragte: «Wisst ihr noch, wie die Dinge früher liefen?» «Keine Ahnung», sagte ein Kurzzeit­gedächtnis, «dafür bin ich zu modern.»
Und die Liebe schlief und rief im Traum: «Ich hab euch alle gern.»

Und die Gegenwart malte ein Bild von der Zeit ...

«Lasst euch einfach mal fallen!», rief der Regen. Ein Gabelstapler lachte,
und alle sahen zum Himmel hoch, der an die Sonne dachte,
denn die Sonne war tatsächlich schwanger, und niemand wusste, von wem. Und die Sonne strahlte, aber alle anderen hatten ein echtes Problem.

Und die Gegenwart malte ein Bild von der Zeit ...

Funny van Dannen, 2012