Unsere Gesprächspartner Uwe Greff, langjähriger leitender Mitarbeiter der «GLS Bank» und Stefan Decke, Agrarökonom und verantwortlicher Landwirt u.a. auf verschiedenen Bioland-Betrieben, sind die beiden hauptamtlichen Vorstände der «BioBoden Genossenschaft» mit Sitz in Rothenklempenow/Vorpommern. Unterstützt von 18 Gründungspartnern (zumeist Unternehmen der Naturkostbranche), kauft die BioBoden Genossenschaft (wie auch ihre Vorgänger-Organisationen) mit den von ihren Mitgliedern gezeichneten Anteilen landwirtschaftliche Flächen und landwirtschaftliche Betriebe, um sie langfristig für den Ökoanbau zu sichern. Im Jahr 2015 gegründet, hat BioBoden ca. 2800 im In- und Ausland lebende Mitglieder, die für 14 Millionen Euro Anteile zu je 1000 Euro gezeichnet haben, damit über 30 Landwirte unterstützen und auf der jährlichen Generalversammlung mit jeweils einer Stimme pro Mitglied abstimmungsberechtigt sind. // www.bioboden.de
Ralf Lilienthal | Die BioBoden Genossenschaft wurde 2015 gegründet – welche Aktivitäten gingen dem voraus?
Uwe Greff | Die Anfänge unserer Arbeit gehen letztlich bis ins Jahr 1961 zurück. Damals wurde die Bochumer GLS Treuhand gegründet, die angetreten war, gemeinnützige Aktivitäten zu fördern. Schon da ging es um die Frage: Wie kann man überregional Geld einsammeln, um es lokal einzusetzen? Anfangs vor allem für die neu gegründeten Waldorfschulen im Ruhrgebiet, aber schon sehr früh auch für Projekte der ökologischen Landwirtschaft. Und weil es schwierig war, geeignete Bankenpartner zu finden, wurde 1974 die GLS Bank als Vollbank gegründet. Im Grunde waren es immer einzelne Projekte und Initiativen, für die es geeignete Finanzierungsinstrumente zu schaffen galt. So auch angesichts der für viele Landwirte wichtigen Frage: Wie können wir langfristig unseren Boden, unsere Anbauflächen sichern? Während über viele Jahrzehnte wenig Bewegung im Bodenmarkt war und die Pacht- und Kaufpreise insgesamt stabil blieben, änderte sich das ab 2006 zunehmend. Einerseits durch die geänderte Privatisierungspraxis der bundeseigenen Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG), andererseits durch die Finanzkrise. Auf einmal investierte man wieder in «Steine und Boden» – die Preise stiegen. In dieser Zeit standen besonders die biologisch wirtschaftenden Betriebe in Ostdeutschland vor großen Herausforderungen, weil Flächen, die sie seit vielen Jahren gepachtet hatten, verkauft werden sollten. Als dann dreizehn Landwirte aus der Uckermark an die GLS herantraten, kam es zur Gründung der ersten BioBoden-Initiative.
RL | Als eine spezifisch ostdeutsche Institution?
UG | Als Verhandlungspartner für die Gespräche mit der BVVG. Und es war anfangs klar, dass es sich um die einmalige Lösung einer zeitlich und inhaltlich klar begrenzten Aufgabe gehandelt hat. Wir haben dann aber schnell begriffen, dass auch ein Landwirt der alten Bundesländer mit ganz ähnlichen Problemen konfrontiert ist. Denn wenn morgen ein von ihm gepachteter Acker verkauft werden soll und er sein Geld komplett in den Hof investiert hat, braucht er eine praktikable Alternative. Nach einigen Zwischenschritten haben wir dann 2015 BioBoden, unabhängig von GLS Bank und GLS Treuhand, als Genossenschaft eine neue Struktur und Story gegeben.
RL | Und welche Ziele und Inhalte wurden gesetzt?
UG | Es ging und geht darum, die Menschen wieder zu erreichen, insbesondere die, die weit weg von den landwirtschaftlichen Betrieben sind. Wie oft hört man folgende Sätze: «Ja, ich möchte auch, dass die Landschaft schön aussieht, und biologische Lebensmittel hätte ich auch gerne.» Mit BioBoden haben wir eine Möglichkeit geschaffen, den Betrieben diese Aufgabe nicht alleine aufzubürden, sondern sie unmittelbar zu unterstützen, denn der Genossenschaftsgedanke ist leicht kommunizierbar und inhaltlich stimmig mit unseren Zielen.
RL | Im Namen und im Zentrum Ihrer Arbeit steht der «Boden», konkret: die landwirtschaftlich genutzte Fläche. Welches Bild von «Boden» legen Sie Ihrem Handeln zugrunde?
Stefan Decke | Der Boden ist buchstäblich die Grundlage unseres Lebens. Und er ist ein Allgemeingut, das wir nicht ausräubern dürfen, das wir pflegen und aufbauen müssen, damit er auch künftig diese Lebensgrundlage bleiben kann. Die Landwirte im Umfeld der bäuerlichen Familienbetriebe wissen das – gleichgültig ob sie biologisch oder konventionell wirtschaften – und sehen mit Besorgnis, wie der weltweit zur Ware verkommene Boden weniger wird. Und unfruchtbarer!
RL | Beim Stichwort «weltweit» denkt man an das zuletzt viel diskutierte Phänomen des «Landgrabbing» – also an Großinvestoren, die den bäuerlichen Betrieben landstrichweise Grund und Boden wegkaufen. Ist Ihre Arbeit in erster Linie eine Antwort auf dieses Problem?
UG | Nein! Das großflächige Landgrabbing findet woanders statt, etwa auf Madagaskar, in Rumänien, Bulgarien oder der Ukraine. In Deutschland sind die angebotenen Parzellen viel zu kleinteilig, um für internationale Investoren interessant zu sein. Wir werden oft gefragt: Gibt es nicht ein gutes Beispiel, das euren Kampf für die Landwirte illustriert? Aber was wir tun, ist nicht spektakulär – wir kämpfen nicht, wir helfen! Oft hat der Landwirt sein Problem eigentlich schon gelöst, bevor er an uns herantritt – er braucht «nur» das Geld.
SD | Ihre Frage zielt im Grunde auf weitere Ursachen für die Flächennot der Landwirte. Die findet man oft an ungewohnter Stelle, etwa dort, wo politische Entscheidungen getroffen werden. Ein Beispiel: Die Politik fördert auf einmal Biogas. Was macht der konventionelle Landwirt? Er kauft oder pachtet vermehrt Flächen und baut Mais an. Mais ist sehr ergiebig und technisch gut zu bearbeiten. Dann steigen in der Folge die Bodenpreise, und der Druck auf den ökologischen Landbau wächst. So kann selbst die Energiewende zu erheblichen Flächenverlusten führen …
UG | … genauso wie ökologische Ausgleichsmaßnahmen. Wenn der Verkehrswegeplan der Bundesrepublik 50.000 Hektar Landverbrauch vorsieht, dann verliert die Landwirtschaft noch einmal 50.000 Hektar durch die in der Folge auszuweisenden Ausgleichsflächen. Eine neue Studie geht davon aus, dass wir, bei gleichzeitig steigender Bevölkerung, durch die weltweite urbane Bebauung bis 2030 etwa ein Drittel der jetzigen landwirtschaftlichen Nutzfläche verlieren – und das sind oft genug die wertvollsten Böden!
RL | Der Landwirt braucht Nutzflächen, BioBoden kauft und verpachtet Nutzflächen – ist das der Kern Ihrer Aufgabe?
SD | Es geht nicht nur darum, Boden «freizukaufen», sondern auch, daran mitzuwirken, dass die Menschen sich Gedanken machen, wo ihr Essen herkommt und wie sie an der Verbesserung der landwirtschaftlichen Rahmenbedingungen mitwirken können.
UG | Landwirtschaft braucht Perspektive und Langfristigkeit – darum geht es eigentlich. Und es geht, auch wenn es vielleicht pathetisch klingt, um die Bodenfruchtbarkeit, um den Aufbau von Humus, der so unendlich viel Zeit und Sorgfalt braucht. Wenn ich, durch BioBoden, dreißig Jahre Pachtsicherheit habe und mit meinen Produkten auskömmliche Preise erziele, werde ich anders wirtschaften, als wenn ich immer nur von Jahr zu Jahr denken kann. Daher müssen wir auch die Menschen erreichen, die das Land besitzen, aber nicht selbst bestellen. Und jene, die sagen: «Der nächste Hof ist so weit weg, wie soll ich mich denn da engagieren?» Es geht in beiden Fällen um das Bewusstsein: «Wir können etwas tun!»
RL | Wenn ich das richtig verstehe, geht die Initiative immer vom Biolandwirt aus. Er will seine Flächen sichern oder erweitern, wendet sich an BioBoden, und Sie prüfen, ob die Voraussetzungen für Kauf und Verpachtung gegeben sind?
SD | Genau, als Praktiker habe ich viel mit der Sondierung potenzieller Projekte zu tun. Natürlich muss der Preis stimmen, aber entscheidend ist etwas anderes: Wie können wir die ökologische Bewirtschaftung dieser Flächen dauerhaft sichern? Denn darum geht es denen, die ihren Acker gegen Anteile tauschen – sie wollen, dass wir uns kümmern.
UG | Es gibt aber auch den Fall, dass wir ganze Betriebe kaufen. Vor allem dort, wo es einen Generationswechsel gibt und niemand da ist, der den Betrieb weiterführen kann oder will – eine Situation, mit der wir immer häufiger konfrontiert werden. Auch hier mussten wir Verantwortung übernehmen und praktikable Lösungen finden, sonst würden viele Bioflächen verloren gehen.
RL | BioBoden bewirtschaftet also auch selbst eigene landwirtschaftliche Betriebe?
SD | Das müssen wir sogar. Denn nur wer Landwirtstatus hat, darf in Deutschland landwirtschaftliche Flächen kaufen.
Ob wir einen Betrieb dann verpachten oder durch einen Betriebsleiter führen lassen, hängt am Ende von den fachlichen und finanziellen Möglichkeiten der Interessenten ab – es gibt auch hier kein festes Schema, aber viele Chancen für Landwirte!
UG | Gerade beim Thema «Betriebsübernahme» kann man sehen, dass wir immer wieder weit über die bloße Landvermittlung hinaus aktiv werden müssen.
Weshalb wir uns inzwischen auch in der Ausbildung der künftigen Demeter-Landwirte engagieren und ihnen das betriebswirtschaftliche Know-how vermitteln, um einen eigenen Betrieb zu führen.
RL | Was immer man über Ihre Arbeit als BioBoden-Geschäftsführer sonst noch sagen kann, Routine und Langeweile dürften nicht zu ihren Hauptproblemen gehören!
UG | Was damit zu tun hat, dass wir nicht nur Ziele erreichen, sondern – von immer mehr Menschen unterstützt – vor allem Probleme lösen wollen. Und wenn sich morgen das Bodenproblem aus irgendwelchen Gründen erledigt hat – gut so! Es wird, auch in der Landwirtschaft, immer gesellschaftlich relevante Aufgaben geben, um die sich jemand kümmern muss.