Übrigens gibt es Menschen, die Wert darauf legen, dass heutzutage nicht mehr Down-Syndrom gesagt wird. Neulich hat mich Willis Krankengymnastin (zu der man heutzutage aber Physiotherapeutin sagen muss) zurechtgewiesen: «Es heißt Trisomie 21!» Es gibt sogar Leute, die sagen: «Mein Kind lebt unter den Bedingungen einer Trisomie 21»,um nicht zu sagen: «Es hat Trisomie 21», weil das wieder wie eine Krankheit klingt.
Ich persönlich bin schon ganz froh, wenn mich auf der Straße keiner mit den Worten anspricht: «Ist das ein Mongo?» Kein Witz, neulich ist das wieder passiert. Das Wort «mongoloid» ist wirklich out, denn es steht für eine Zeit, in der Kinder wi eWilli keinerlei Förderung bekamen, sie keine normalen Schulen oder Kindergärten besuchen durften und am Rande der Gesellschaft herumvegetierten.
Allerdings differenziere ich die Art und Weise, wie das Wort benutzt wird, sehr genau. Wenn eine ältere Dame meinen Willi anschaut und lächelnd fragt: «Ach, ist das ein Mongölchen, die sind ja so lieb», dann nehme ich ihr das nicht übel. Da kommt es nicht auf den politisch korrekten Ausdruck an, sondern auf das, was an Gefühlen herüberkommt, nämlich ein warmes und willkommen heißendes Gefühl. Und ich nicke dann lächelnd und antworte nicht etwa: «Entschuldigung, aber Sie diskriminieren gerade mein Kind! Er wurde mit einer Trisomie 21 geboren.»
Und ich werde der Frau ebenfalls nicht sagen, dass der Willi keineswegs immer so lieb ist, wie sie glaubt. Immerhin ist das ein positives Vorurteil, ist doch auch mal ganz schön!
Übrigens wurde der Ausdruck «mongoloid» nicht abgeschafft, weil sich Menschen mit Down-Syndrom, sondern vielmehr die Mongolen diskriminiert fühlten und deswegen gegen die Bezeichnung «Mongolismus» 1965 einen Antrag bei der WHO stellten. – Na ja, heutzutage sagt man also nicht mehr «mongoloid», und das Wort «behindert» versuchen auch schon einige zu vermeiden, weil es mittlerweile zum Schimpfwort geworden ist. Allerdings sehe ich das nicht ein. Nur weil da auf der Straße ein paar Pubertierende rumlaufen, die ständig «Bist du behindert oder was?» rufen, denke ich mir doch nicht neue, komplizierte Beschreibungen für den Geisteszustand meines Sohnes aus! Da ist doch nicht die Bezeichnung das Problem, sondern die Einstellung dieser Menschen, die müssen wir ändern! Ständig neue, politisch korrekte Worte auszurufen macht die Sache nicht besser. Im Gegenteil. Ich beobachte oft,dass Leute sich kaum trauen, mich auf die Behinderung meines Kindes anzusprechen, weil sie Angst haben, etwas Falsches zu sagen. Wie soll da ein natürlicher Umgang mit Behinderungen zustande kommen? Was mich allerdings stört, ist die Formulierung «Willi leidet am Down-Syndrom». Denn Fakt ist: Willi hat das Down-Syndrom, aber er leidet nicht daran! Ganz im Gegenteil, er ist besser drauf als die meisten anderen Menschen, die ich kenne. Ich leide vielleicht unter Willis Down-Syndrom, weil er mit seinen fast fünf Jahren keine Anstalten macht, selbst zur Toilette zu gehen, oder seine Schwester leidet, weil er kein Verständnis hat für «mein» und «dein» und dementsprechend jeder Keks Willis Keks ist. Mein Mann leidet, weil er auf der Gitarre 100.000-mal dasselbe Kinderlied für Willi spielen muss. Aber nicht der Willi, der leidet nicht.
Übrigens wurde letztes Jahr ein Antrag an die Vereinten Nationen gestellt (und mittlerweile angenommen),den 21.3. offiziell als «World Down Syndrome Day» einzutragen (komisch, nicht «Welt-Trisomie-21-Tag»). Mir ist das im Prinzip egal, denn bei uns zu Hause ist jeden Tag eine große Party (ob uns nun zum Feiern zumute ist oder nicht), denn für uns ist jeder Tag «Welt-Down-Syndrom-Tag»! Aber wir feiern auch gerne einmal im Jahr mit Ihnen zusammen! We wish you a very happy World Down Syndrome Day!.