Fast lautlos fällt die Tür ins Schloss! Es ist 5 Uhr morgens, als Nils leise die Wohnung verlässt, um sich auf den Weg nach Frankfurt zu machen. Seit einem halben Jahr gehört er zu den «Pendlern», die am Montagmorgen die Familie verlassen und erst am Freitagabend pünktlich zum Familienwochenende wieder da sind.
Laura liegt hellwach im Bett. «Jetzt stiehlt er sich wieder davon», denkt sie bitter. Sie hat dem Stellenwechsel von Nils zwar zugestimmt, aber dass sie zunehmend den Familienalltag mit ihren beiden Kindern alleine bewältigen würde, hat sie dabei nicht gedacht. In letzter Zeit wurde Nils auch noch samstags in der Firma gebraucht. Das sei die Anfangsphase, in der er sich profilieren müsse, rechtfertigte er sich und tröstete sie damit, dass ihm die Familie ja auch fehle. Jetzt konzentriert sich alles aufs Wochenende, wenn er da ist. Zwar telefonieren sie fast täglich, aber auch hier ist die Qualität des Austauschs gesunken. Und seit Laura vor einigen Wochen beim Waschen einen Zettel in Nils’ Hosentasche gefunden hat, vergeht kein Wochenende mehr ohne Streit. Wer ist Emma? Was haben die Worte «Ich freue mich auf Dich» zu bedeuten?
Sarah, 8 Jahre, und Leo, der gerade in die Schule gekommen ist, werden stille Zeugen der Streitgespräche ihrer Eltern. Sie sitzen mit «langen Ohren» in ihrem Zimmer – und Sarah versucht den weinenden Leo zu trösten. Dabei hat sie doch selbst solche Angst, dass ihre Eltern sich trennen! Papa ist so anders geworden, als gehörte er gar nicht mehr so richtig zu uns, denkt Sarah vor dem Einschlafen und drückt ihren dicken Teddy zum Trost fest an sich.
Es ist zwei Uhr in der Nacht, als Sarah weinend und mit Schmerzen am Elternbett steht. Sie hält sich gekrümmt den Bauch und lässt sich durch nichts beruhigen. Panik bricht aus! Nils und Laura entscheiden, mit ihr in die Kinderklinik zu fahren. Es ist keine Blinddarmentzündung! Erleichterung und Besorgnis zugleich! Laura bleibt mit Sarah die Nacht über in der Klinik, Nils meldet sich in der Firma ab und kümmert sich um Leo.
«Schwere Koliken mit unklarer Genese», so lautet die Diagnose des Kinderarztes. Er hat inzwischen mit Sarah allein gesprochen, die ihm ihre Sorgen um die Eltern anvertraut hat. Laura und Nils sitzen betroffen im anschließenden Arztgespräch. «Kinder versuchen manchmal auf ungewöhnliche Weise, auf sich aufmerksam zu machen. Es ist eine Art unbewusste Lösungsstrategie von Sarah für ihre Familiensituation. Ein Ausdruck dafür, dass sie sich überfordert fühlt, was sich psychosomatisch durch die Koliken zeigt. Es könnten auch andere Symptome wie Einnässen, Nägelkauen, Ess- oder Schlafstörungen sein. Das ist ein an Sie gerichteter Hilferuf Ihrer Tochter, Ihre Konflikte zu bearbeiten!» Mit diesen deutlichen Worten beschließt der Kinderarzt seine Ausführungen und rät ihnen zu einer Paarberatung. Welch ein Aufwacherlebnis für Nils und Laura! Die gemeinsame Angst um Sarah hat sie innerhalb von Stunden wieder in eine Richtung blicken lassen. Nils fühlt sich schuldig, weil er sich auf Emma eingelassen und dadurch seine Familie gefährdet hat. Doch als sie in der Paararbeit hören, dass eine «Außenbeziehung», ähnlich wie Sarahs Koliken, in der Regel als ein Symptom gesehen werden kann, das zum Ausdruck bringen will, dass Bedürfnisse in der Beziehung im Mangel sind, beginnen Nils und Laura mit neuem Blick auf die letzten Monate zu schauen. Während Nils die Wohnungsangebote in Frankfurt studiert, ist Laura auf der Suche nach einem neuen Job für Nils. Jetzt müssen sie sich nur noch einig werden!