Frasdorf, Oberbayern, Samstag, den 30.1.2015
23 Jugendliche knien, hocken, sitzen und stehen um einen Laptop, damit sie möglichst auch «gesehen werden». Sie winken … Alle lauschen, um jedes Wort zu hören, zu verstehen. Am Bildschirm werden braune Kindergesichter sichtbar. Auch sie drängen sich aneinander, dann hört man sie zaghaft, unsicher und immer fröhlicher lachen. Ein «How are you?» erklingt, noch eins und immer mehr – auch sie winken! Im Hintergrund wird eine Versammlung von Erwachsenen sichtbar.
Das war eigentlich alles. Dennoch waren sich die Jugendlichen einig, dass die zwanzig Minuten Skypen mit den Kindern ihrer Partnerschulen im Slum von Nairobi der Höhepunkt der gemeinsamen Tagung war. – Jedes Mal, wenn ich die Gelegenheit habe, vor jungen Menschen von unseren Freunden in Nairobi zu erzählen oder Fotos und Clips zu zeigen, wird es still im Raum – fast andächtig, voller Betroffenheit und mit vorhersehbarer Gewissheit kommt die Frage: «Wie können wir helfen?»
Genau vor vierzehn Jahren kam ich zurück aus Kenia, das nach zehnjähriger Tätigkeit als Waldorfschulgründerin und Sozialunternehmerin zu meiner zweiten Heimat geworden war. Die Geschichte dieser wunderbaren Begegnung mit Afrika ist als eine Art Liebeserklärung in meinem Buch Ein leiser Ruf aus Afrika nachzulesen. Mitgebracht hatte ich einen Impuls, den ich mit Jugendlichen an einer deutschen Schule zu dem Lernkonzept «Nyendo lernen – ein Projektwahlfach für soziales Unternehmertum, Entwicklungszusammenarbeit und interkulturelle Beziehungen an Oberstufen» entwickeln durfte. Gemeinsam mit meinem Team begleiten wir derzeit an fünf deutschen Schulen nyendo Schülerfirmen und -aktionen, deren Erlös die Schüler ihrer Partnerschule in Nairobi schenken und diese am Ende ihrer Mitarbeit besuchen. Etwa 100.000 Euro wurden so bisher geschenkt, etwa vierzig Jugendliche waren bereits zu Besuch vor Ort. An den Partnerschulen im Kangemi Slum konnten wir dadurch Projekte initiieren und begleiten, die den Schulgemeinschaften helfen, sich selbst aus der Armutsfalle zu befreien, z.B. die erste Regionalwährung, genauer gesagt «community currency», den Gatina Pesa.
Nairobi, Kenia, Samstag, den 30.1.2015
Eltern und Lehrer unserer bisherigen und möglichen künftigen nyendo Partnerschulen haben sich versammelt. Ein Schuldirektor und Will Ruddick, Gründer unserer Partnerorganisation Koru Kenya, erzählen, dass die 100 Mitglieder des Gatina Business Networks seit Einführung des Gatina Pesas im Oktober 2014 ein zusätzliches Handelsvolumen im Wert von 7000 Euro erwirtschaftet haben, eine Umsatzsteigerung von 25 %. Bis jetzt konnten zwanzig Schüler ihr Schulgeld mit Gatina Pesa bezahlen, bis Ende des Jahres werden es vielleicht Hunderte sein, wenn alle anwesenden Schulgemeinschaften mitmachen. Schon im April 2015 wird die zweite «community currency», der Kangemi Pesa, und bald auch der Lindi Pesa folgen. Das wird den Erfolg des Gatina Pesas verdreifachen und als erstes Regionalwährungsnetzwerk Afrikas den Handel unter den verschiedenen communities ankurbeln. Bis 2016 könnten dreißig Schulen Regionalwährung akzeptieren und so Hunderten von Kindern Bildung ermöglichen sowie den Umsatz von mehr als tausend Geschäften im Slum steigern.
Unsere Jugendlichen von nyendo hier in Deutschland sind Teil dieser Bewegung dort. Ihre Hände sind auf den Pesa-Gutscheinen abgedruckt als «hand in hand»-Motive! Apropos Bewegung: nyendo heißt auf Suaheli «Bewegung». Nomen ist omen. Mögen noch viele deutsche Schulen Teil dieser Bewegung werden! Und mein Schreibtisch als Funk-, Schalt- und Netzwerkzentrale wartet geduldig auf die Zeit, wieder seine Lieblingsfunktion als Schreib-Tisch einzunehmen.