Ich wollte schon als Kind Schriftstellerin werden. Neben meinem Bett lagen Stift und Papier, ich dachte mir Buchtitel aus und notierte sie. Die Jahre vergingen, Arbeit, Krankheit, Verluste und die Liebe traten in mein Leben. Die Idee, ein Buch zu schreiben, verließ mich bei all dem nie – es war mehr als nur ein Wunsch. Es war ein Horizont, zu dem ich mich auf dem Weg befand. Irgendwann würde ich ein Buch schreiben, das wusste ich. Aber worüber? Über meine Krebserkrankung und darüber, wie diese mein Leben beeinflusst hat? So ein Buch würde ich selbst nicht lesen wollen, warum sollte ich es dann schreiben?
Mit Anfang vierzig wusste ich es plötzlich: Es sollte ein Kinderbuch werden: weniger Worte, mehr Poesie. Ich nahm an einem Schreibkurs der Kinderbuchautorin Mireille Geus teil. Dort entstand die Idee von Martin, Max und Rosa und ihrer Reise. Was sie genau erleben würden, wusste ich noch nicht. Die Geschichte entwickelte sich zunächst langsam, wie eine parallele Welt, die Faser für Faser neben meinem Alltag enstand.
Das ist für mich das Schönste beim Schreiben: eine neue Wirklichkeit zu schaffen. Jedes Detail kreirt man selbst, es existieren nur die Dinge, die ich zum Leben erwecke – und dann wird diese Welt irgendwann so real, dass eine Interaktion entsteht. Das klingt vielleicht eigenartig, aber bei mir geschieht dies. Ich frage meine Hauptpersonen regelmäßig, was sie wollen, und so stammt die Geschichte letztlich nicht nur von mir, sondern auch von Martin, Max und Rosa. – Es war ein Prozess der stetigen Umwandlung, bei der es darum ging, Bilder zu formen und sie dann in Worte umzusetzen. Und es ging um die Umwandlung von Erfahrenem in Fiktion. Und dann, Schritt für Schritt, begannen die Hauptpersonen immer deutlicher, die Geschichte meines eigenen Lebens zu erzählen. Die Geschichte vom Umgang mit Verlusten – ein universelles Thema, das sich auf kein Lebensalter beschränkt.
Als ich mein Manuskript an verschiedene Verlage schickte, bekam ich zunächst mehrere Absagen: Für junge Leser ab 8 Jahren wolle man realsistische Geschichten – also keine Kinder, die ohne ihre Eltern eine Reise zu verschiedenen Inseln unternehmen. Und schon gar keine sprechenden Katzen! Zum Glück zeigte sich dann doch ein Verleger interessiert: «Geschichtenerzähler sollen Geschichten erzählen», schrieb er, «nicht die Wirklichkeit beschreiben.» Das tröstete mich sehr.
Interesse war also da, doch die Geschichte müsse noch bearbeitet werden. Noch einmal musste ich intensiv an meinem Text arbeiten, und das ohne Garantie, dass man das Buch später auch wirklich veröffentlichen würde. Keine leichte Aufgabe, vor allem angesichts meiner angegriffenen Gesundheit.
Ich zweifelte, aber der Wunsch, Schriftstellerin zu sein, war stärker. Dazu kam die Beziehung, die sich mittlerweile zu meinen Figuren entwickelt hatte: Ich konte Martin auf keinen Fall im Stich lassen. Ich hatte ihm Leben eingehaucht, nun musste ich ihm auch die Möglichkeit geben, die Welt kennenzulernen – das war ich ihm schuldig.
Es war einer der schönsten Momente meines Lebens, als eineinhalb Jahre später beide Träume in Erfüllung gingen: Mein Buch wurde veröffentlicht, noch dazu mit herrlichen Illustrationen von Peter-Paul Rauwerda. Und Martin durfte gemeinsam mit Max und Rosa die Welt kennenlernen.
So führen sie nun ihr eigenes Leben: Sie gelangen in Häuser und Wohnungen, die ich nie sehen werde, und erleben dort immer wieder aufs Neue ihre besonderen Abenteuer. Und inzwischen arbeite ich, Faser für Faser, an einer neuen Wirklichkeit. Mit neuen Figuren und einer neuen Geschichte.
Aus dem Niederländischen von Michael Stehle