Am Morgen des 27. Juni 2012 brach Olaf Oltmann mit Seminaristen und Kollegen zu einer Wanderung durch die Fjellnatur zum Dach Norwegens, dem Galdhøpiggen, auf. Gerade noch hatte er Gletscherhahnenfuß in 2000 m Höhe mit den Exkursionsteilnehmern bewundert, als er auf dem weiteren Fußmarsch plötzlich und ohne vorherige Anzeichen im Kreise seiner Studenten und Kollegen verstarb – in der geologisch interessanten Mylonitzone des Berges mit dem Bild der sonnigen Bergnatur im Herzen.
Am 2. Februar 1942 in Bensberg bei Köln geboren, hat Olaf Oltmann seinen Geburtstermin immer als passend zur eigenen Biographie empfunden, denn zu Mariä Lichtmess erlebt man im Lauf der Jahreszeiten noch die Finsternis des Winters, hat aber eine erste Berührung mit der kommenden Lichtfülle des Sommers.
Seine glückliche Kindheit verbrachte er seit 1944 in Tönning an der Eider, mit dem Hafen voller Fischkutter, dem Strom der Eider und der Weite der Nordseeküste. Hier wuchs eine Naturverbundenheit, die sein Leben maßgeblich bestimmen sollte. Mit dem Umzug der Familie nach Kiel 1951 begann ein neuer Lebensabschnitt. Der Besuch des Gymnasiums war besonders durch die stark empfundene Divergenz zwischen persönlich erlebter Natur und der reduktionistischen Naturinterpretation in der Schule geprägt. Die Vorträge von Dr. Friedrich Benesch in der Christengemeinschaft zu naturwissenschaftlichen Themen gaben ihm jedoch starke Impulse und Perspektiven zukünftiger eigener naturwissenschaftlicher Forschung. Seine große Leidenschaft galt auch dem Geigenspiel und so begann er nach dem Abitur ein Geigenstudium bei Prof. Karl von Baltz in Dornach. Dort lernte er Fionna Sophia Copyn kennen, die als Bildhauerin die Rietveld-Akademie in Amsterdam besuchte. Sie wurde in eine blühende «anthroposophischen Kulturinsel» hineingeboren, dem von Franz Löffler im Schloss Gerswalde begründeten heilpädagogischen Institut, in dem ihr Vater Franz Copyn als Maler und ihre Mutter Marianne Copyn als Eurythmistin tätig waren. Aus der lebenslang dauernden und sich vertiefenden Verbindung entwickelte sich ein beständiges Gespräch von Wissenschaft und Kunst.
Olaf Oltmann aber folgte nicht seiner musikalischen Begabung, sondern schlug einen Weg ein, den seine Naturbegeisterung ihm wies. Sein intensives Studium der Medizin und Naturwissenschaft betrieb er nach dem Paradigma, den Reduktionismus der Wissenschaft nicht bloß zu kritisieren, sondern von innen heraus zu verwandeln und zu goetheanistischer Betrachtungsweise zu steigern. Nach der Promotion in Botanik mit summa cum laude nahm er als junger Wissenschaftler des Botanischen Instituts in Kiel, obwohl auf dem Weg zur Habilitation, immer intensiver am Gründungsgeschehen der Freien Waldorfschule Kiel teil. Bewusst ließ er die universitäre Laufbahn hinter sich, um sich der Ausgestaltung und Realisierung der Waldorfpädagogik im Zeichen von Goetheanismus und Anthroposophie zu widmen. Als einer der Mitbegründer dieser Schule übernahm er als Klassenlehrer 1974 eine erste Klasse mit 50 Kindern, davon sieben Förderkinder. Es waren, wie er sagte, die glücklichsten Jahre seiner Berufsbiographie. Es folgten noch einige Jahre als Oberstufenlehrer, ehe er 1984 als Dozent für die Ausbildung von Oberstufenlehrern an das Stuttgarter Lehrerseminar berufen wurde – zusammen mit seiner Frau Fionna Sophia Oltmann-Copyn als Dozentin für plastisch-bildnerische Künste. Olaf Oltmanns Wirken in den Gremien des Bundes der Freien Waldorfschulen nahm seinen Anfang – sowohl im Vorstand als auch im Ausbildungsrat gestaltete er bis in die 90er Jahre die Schulbewegung mit. Seine Gestaltungskraft suchte bald schon neue Aufgaben und so gründete er mit Volkert Prahl und seiner Frau 1988 das Waldorflehrerseminar Kiel, das sich zunächst in einer geschenkten Baracke beheimatete, um sich dann kräftig im Innern und Äußern zu einem bis heute blühenden Seminar auszugestalten. Nach dem Tod von Volkert Prahl 1995 war Olaf Oltmann bis 2012 Leiter des Seminars.
Neben der Lehre war für Olaf Oltmann die Forschung immer ein Herzensanliegen. Seine Arbeiten zur goetheanistischen Naturwissenschaft, zur Methodik-Didaktik des naturkundlichen Unterrichts, zu Gedächtnisbildung, Psychologie und zu kulturellen Themen fanden große Beachtung. Sein letztes Werk zur Engellehre, fußend auf der Hierarchienlehre des Dionysios Areopagita, und zum Baptisterium* in Florenz wird sein Vermächtnis sein.