«Eines Tages, im Irish Railway Clearing House, sagte man mir, dass ein Besucher für mich da sei. Und als ich hinausging, stand da Yeats an der Tür – Yeats! Dieser seltsame Mann, der sehr seltsam gewirkt haben muss, wie er die Kildare Street hinunter spazierte.» (So hat es Padraic Colum viel später seinem Biografen Zack Bowen berichtet.) William Butler Yeats war gekommen, um den jungen Dichter, der soeben in der Zeitschrift United Irishman ein Gedicht veröffentlicht hatte, unter seine Fittiche zu nehmen.
Es ist schon erstaunlich, wie schnell der vom Lande gekommene Padraic Colum, der seinen Unterhalt als Angestellter bei der Irischen Eisenbahn verdiente und abends Gedichte und Stücke schrieb, in der lebhaften literarischen Szene Dublins Anfang des 20. Jahrhunderts Fuß fassen konnte. Wie von selbst lernte er die maßgeblichen Dichter und Literaten der Zeit kennen.
Doch es liegt auch eine eigene Stimmigkeit darin, dass gerade er zu der Bewegung fand, die sich «Irish Literary Renaissance» nannte und die sich die Wiederbelebung der irischen Sprache und Volkskunst auf ihre Fahnen geschrieben hatte. Denn anders als die führenden Vertreter dieser Bewegung – Yeats, George Russell («AE»), Lady Gregory oder John Millington Synge –, kannte er das, worum es ging, von Kindheit auf. Er hatte nicht studiert, wie sie alle. Dafür stammte er aus einer alten katholischen Bauernfamilie, er kannte die Nöte der Bauern. Und er war in dem «Workhouse», einer staatlichen Einrichtung für Arme und Obdachlose, die sein Vater leitete und wo die große Familie Colum wohnte, den Kesselflickern, Balladensängern, Korbmachern, Pfeifern und Fiddlern begegnet und hatte ihnen zugehört. In seinem Stück Thomas Muskerry ebenso wie in vielen seiner Gedichte hat Colum diese Charaktere aufgegriffen.
Von seinem Onkel, einem Geflügelhändler, den er als Junge auf den Reisen von Markt zu Markt begleiten durfte, hatte er unzählige Balladen, Geschichten und Lieder gelernt. Von seiner Großmutter viele Märchen, die ihn beeindruckten. Was Iren sich erzählen und, vor allem, wie sie es tun, das prägte sich seinem Ohr tief ein. Wenn Padraic als Jugendlicher seinem Bruder Pakete austragen half, sammelte sich eine ganze Horde von Jungen hinter ihm. Er ging, den Paketkarren schiebend, voraus und rezitierte mit Begeisterung Gedichte, Balladen und Lieder.
Die Heilige Jungfrau schien ihm tatsächlich zu lächeln, wie es seine Mutter freudig prophezeit hatte, als ihr Ältester, Padraic, am 8. Dezember, dem katholischen Feiertag der Unbefleckten Empfängnis, im Jahr 1881, geboren worden war. Sie lächelte ihm auch in der Dubliner Zeit: Denn im Unterschied zu seinem Freund James Joyce gelang es ihm immer wieder, in Zeitschriften zu veröffentlichen oder ein Stück zur Aufführung zu bringen.
Seine Gabe zum mündlich geprägten Erzählen kam jedoch erst um einiges später zur Entfaltung – 1916, als er schon mit seiner Frau Mary nach Amerika gezogen war. Es war der Verlag Macmillan, der Colum den Impuls gab, Kinderbücher zu schreiben. Und als erstes erschien The King of Ireland’s Son (deutsch: Der Königssohn von Irland, 1956).* Manchem Leser werden sich der Titel des Buches und sein zauberhafter Inhalt stärker eingeprägt haben als der Name seines zutiefst irischen Autors: Padraic Colum. Er starb am 11.1.1972 in Enfield (Connecticut) und wurde in der Nähe von Dublin begraben.