Reisen und immer wieder von Neuem begonnene Pläne künftiger Lebensabschnitte waren für die finnlandschwedische Schriftstellerin und Malerin Tove Jansson (1914–2001) zwei Aspekte, die in ihrem Leben eine große Rolle spielten. Oft träumte sie davon, in fremde Länder auszuwandern, eine Künstlerkolonie zu gründen. Dann geschah es, dass sie alles bereits deutlich vor sich sah: Sie schickte ihren Freunden Zeichnungen, in denen sie darstellte, wie dieses Haus, jener Turm oder ein Garten aussehen würden, wenn man erst im Kreise Gleichgesinnter Künstler in Marokko, Spanien oder auf den südpazifischen Tonga-Inseln leben würde. Vor allem in den Jahren des Zweiten Weltkriegs ließ sie ihren Träumen freien Lauf und plante, Helsinki und Finnland zu verlassen. «Sie hoffte, dass der Aufbruch und die Niederlassung an einem unbekannten Ort ihr helfen würden, ein neues, anderes Leben, Glück und Kreativität zu finden», schreibt ihre Biografin Tuula Karjalainen.
Und wie beschreibt sie es selbst? «Nicht aus Spaß, sondern aus der unbedingten Notwendigkeit heraus. Ich bin in meiner Fantasie um die Welt gereist, und meine Reise endete in Marokko. Wärme und Farben! Dort würden [wir] die Kolonie für Künstler und schreibende Leute gründen …», schrieb sie 1944 an eine Freundin. So gab es mehrere Phasen in ihrem Leben, in denen sie die Hoffnung auf eine bessere Zukunft mit einem neuen Ort verband. Wenn ihre Träume sich letztlich doch nicht verwirklichen ließen, lebte sie sie nicht selten in Gemälden aus, mit denen sie das darstellte, wonach sie sich so sehr sehnte.
Letztlich blieb Tove Jansson in Finnland, was für sie bedeutete: ihre Geburtsstadt Helsinki und die Insel Klovharu, auf der sie mit ihrer Lebensgefährtin Tuulikki Pietilä fast 30 Jahre lang jeden Sommer verbrachte. Wenn auch aus den Auswanderungsplänen nichts wurde – das Reisen an fremde Orte war für sie lebenswichtig, und viele Erlebnisse haben Eingang in ihre Romane und Erzählungen gefunden. Immer wieder begegnet man in ihrem literarischen Werk Menschen aus Janssons Biografie – und natürlich ihr selbst. In ihrem Erzählungsband Reisen mit leichtem Gepäck präsentiert sie uns zahlreiche Charaktere, die sich auf Reisen begeben, um das hinter sich zu lassen, was ihnen das Leben schwer macht. Seien es vermeintlich zu vertraute Umstände und Lebenssituationen, aus denen man ausbrechen muss, seien es Menschen, deren Nähe man zumindest für einen gewissen Zeitraum entbehren möchte … Nicht zuletzt ist es aber eben die Hoffnung, die Tove Jansson selbst lange Zeit mit ihren Auswanderungsplänen verband: etwas Neues beginnen, alles hinter sich lassen.
«Der Himmel war hellblau, die kleinen Wolken kamen mir launisch und angenehm planlos vor. Alles war verschwunden, vorbei, bedeutungslos. Nichts und niemand war mehr wichtig. Kein Telefon, keine Briefe, keine Türklingel … Es interessiert Sie vielleicht, was ich eingepackt habe? Nur das Allernotwendigste! Es war immer schon mein Traum, mit leichtem Gepäck zu reisen, eine kleine Reisetasche, lässig getragen, mit der man raschen, aber nicht eiligen Schrittes beispielsweise eine Flughalle durchquert …»
Tove Janssons Leben war eine immerwährende Reise, nicht nur unterwegs zwischen Helsinki und ihrer Schäreninsel. Viele Jahre lang befand sie sich gewissermaßen auch auf einer Reise von Mensch zu Mensch – bis sie schließlich die Person traf, mit der sie bis zum Ende ihres Lebens zusammenbleiben wollte. Und konnte.