Als ich meiner Frau von dem Plan zu einer Dag Hammarskjöld-Biografie erzählte, fragte sie, wieso ich mir wieder einen «schwedischen Mann aus der Oberschicht» aussuche, «der die Welt retten wollte und unter mysteriösen Umständen ums Leben kam». Ich hatte bereits fünf Jahre damit verbracht, eine Biografie über den radikalen Premierminister Olof Palme zu schreiben, der 1986 in Stockholm auf offener Straße erschossen wurde. Das war etwas ungerecht – ich hatte alle Verschwörungstheorien um den Palme-Mord bewusst außen vor gelassen.
«Ich schreibe über das Leben, nicht über den Tod» – war meine Standardantwort, wenn Journalisten mich fragten, wer Palme meines Erachtens umgebracht habe. Und meine Einstellung zu den Spekulationen um den Flugzeugabsturz, bei dem Dag Hammarskjöld im Herbst 1961 ums Leben kam, ist dieselbe.
Ich kann allerdings nicht bestreiten, dass «schwedische Männer aus der Oberschicht, die die Welt retten wollen» mich interessieren. Teils, weil das Bild der Oberschicht im sozialdemokratischen und «gleichgestellten» Schweden ziemlich stereotyp war: ein alter Monopol-Inhaber mit hohem Hut und Zigarre, ein Bündel Geld in der Hand. Teils, weil Menschen, die ihre Ideale in praktisches Handeln umwandeln, mich faszinieren – ungeachtet ihres sozialen Hintergrunds.
Deshalb stellte ich mir zwei Aufgaben, als ich anfing, über Dag Hammarskjöld zu forschen. Die erste war, ein tiefes Verständnis für das elitäre schwedische Beamtenmillieu und den familiären Hintergrund zu erlangen, die Hammarskjöld prägten. Ich habe mit äußerster Sorgfalt seine komplizierte Familie, seine Studienjahre und nicht zuletzt seine schwärmerischen Jugendfreundschaften beschrieben, wie sie sich aus Briefen und Tagebüchern darstellen. Vieles davon dürfte den Lesern unbekannt sein, weil die meisten bisherigen Hammarskjöld-Biografen die schwedische Kultur nicht besonders gut kannten.
Meine zweite große Aufgabe wurde es, seinen modus operandi darzulegen, d.h. wie er als schwedischer Beamter und UN-Chef agierte. Ich war genötigt, eine Reihe von Krisen eingehend zu studieren: das Eindringen des FBI in das UN-Gebäude, die Freilassung der gefangenen amerikanischen Piloten in China, die Suezkrise und den Bürgerkrieg im Kongo – um zu verstehen, was Hammarskjöld als UN-Generalsekretär so besonders machte.
Diese Aufgabenstellung kann natürlich provokant auf jene wirken, die Dag Hammarskjöld vor allem als geistigen Wegleiter sehen, und seine größte Bedeutung als Verfasser des spirituellen Tagebuchs Zeichen am Weg. Aber ich will die zentrale Bedeutung von Hammarskjölds christlichem Glauben keinesfalls leugnen; ich bin – oder wurde bald – überzeugt davon, dass dieser die wichtigste Antriebskraft seines Lebens war.
Als Biograf muss man jedoch zwischen Antriebskräften und dem Leben eines Menschen unterscheiden. Rein religiöse Deutungen von Hammarskjölds Leben legen oft zu viel Gewicht auf das Innere und zu wenig auf das Äußere. Das ist, als würde man nicht das Pferd vor den Wagen, sondern den Wagen vor das Pferd spannen. Dabei ergibt sich bei gründlichem Fragen, wie etwas geschehen ist, die Antwort auf das Warum fast von selbst.
Einige mögen das respektlos finden. Ich schreibe über Hammarskjölds Scheitern, seine Einsamkeit, seine sexuelle Neigung und hinterfrage das Bild, das er selbst von sich geben wollte. Aber meine Überzeugung ist, dass ein Mensch nicht größer wird, wenn man ihn auf einen Sockel über das Alltagsleben stellt. Im Gegenteil: Erst wenn man ihn tief unten im Lehm stapfen sieht, kann man seine wirkliche Größe ausmachen.