Alles begann, als ich zum ersten Mal eine «Gymnopédie» hörte: Sie hinterließ in mir eine rätselhafte, nachhaltige Gefühlsregung. Einige Jahre später beschloss ich dann eines Morgens, einer schlichten Überzeugung auf den Grund zu gehen: Erik Saties Musik hört man nicht einfach zu, sondern die Musik «hört einem zu».
Ich begann, alles zu lesen, was Satie je geschrieben hatte (seine Briefe, seine Bücher, seine Artikel, seine Randbemerkungen in den Partituren), ich hörte mir alles an, was er komponiert hatte, und las zugleich alles, was über ihn geschrieben worden war. Je tiefer ich in Saties Klangwelt eintauchte, je mehr ich mich mit seinen Sprachticks, seinen Wutausbrüchen, seiner Verstiegenheit und seiner Schwermut beschäftigte, desto unzweifelhafter schien es mir, dass sein Leben aus einer endlosen und ungerechten Folge von Synkopen gegen den Takt der Geschichte und der anderen Menschen bestand. Doch das, was ihn in den Augen seiner Zeitgenossen zu einem Spinner machte, war für mich nur Ausdruck der Kohärenz eines freien Menschen, der sich seine Authentizität wahren wollte, anstatt darauf bedacht zu sein, nur das zu geben, was von der Gesellschaft verlangt und akzeptiert wurde.
Seine Lebensunterschrift ist die eines Künstlers, der es verstand, dem Flüstern die Dimension des Spektakulären einzuhauchen. Eines Menschen, der unsere Entscheidungen und unseren Kleinmut hinterfragte. Wer ist hier verrückt, ruft er uns zu, derjenige, der ein einzigartiges – und insofern immer auch verstörendes – Leben führt, oder derjenige, der das immer gleiche, stinknormale Standardleben lebt?
Ich wollte die Möglichkeit eröffnen, an Erik Saties Seite zu wandeln, durch einen ungeordneten Roman, der aus Momentaufnahmen, Protestschreien und Stimmungstiefs bestünde – ganz nach seinem Bilde. Durch ein Porträt, in dem die Musik jenem Regen gliche, der Saties Zimmer in Arcueil regelmäßig heimsuchte. Also verwob ich meine und seine Stimme miteinander, ohne Einfluss auszuüben, ohne eine kategorische Richtung vorzugeben auf dem Weg zur Wahrheit eines Mannes, der allein um sie wusste. Ganz von selbst fiel meine Wahl auf eine polyphone Schreibweise, die bei seinen Worten ihren Ausgang nahm, bei dem, was ich aus seinen Schriften herausgehört und aus seinen Partituren, lauter kleinen Gedichten, zusammengetragen hatte. Alles, was im Roman Die Regenschirme des Erik Satie* kursiv gesetzt ist, stammt von Satie. Jeder kann sich seine Meinung zum Klischee bilden, das aus ihm einen Verrückten gemacht hat. Ich liefere keine Antwort. Allerdings bin ich zutiefst davon überzeugt, dass sich hinter dem Spottgelächter, hinter der Lächerlichkeit, die er in der Gesellschaft zur Schau trug, eine tiefe und erdrückende Schwermut verbarg, die aus ihm einen «in Traurigkeit gehüllten Clown» machte.
Ich komme aus der Philosophie, der Musik, dem Theater, dem Film. Schon seit Jahren verbinden sich in meinem Leben die textuellen, visuellen und akustischen Elemente zu einem Mischgewebe. Mit diesem Erstlingsroman habe ich für mein künstlerisches Schaffen die Tür zur Sprache aufgestoßen, zu ihrer Fähigkeit, die Stimmung eines Menschen wiederzugeben und noch darüber hinauszugehen.
Ich schreibe, wie Satie, aus meinem Kinderzimmer, in dem es häufig geregnet hat, wie für viele andere von uns auch. Aber wenn ich den Titel Die Regenschirme des Erik Satie gewählt habe, dann vor allem, um meine Leser einzuladen, sich auf die Regenseite zu begeben und ihr nicht den wackeligen Komfort der Normalität vorzuziehen.
Satie ging Risiken ein, ging mit ihnen einen Reigen ein. Es war der Rhythmus seines Lebens. Eines winzigen und dabei grandiosen Lebens, das uns noch heute berührt, während es noch immer weitertrippelt, unsicher,
lächelnd, auf Zehenspitzen.
Aus dem Französischen von Nathalie Mälzer