Noch lieber wäre ich Moraltheologe oder Ausdruckstänzer geworden. Da ich aber gemeinhin als moralisch fragwürdig gelte und nach Aussage meiner Frau beim Tanzen aussehe wie ein «Storch im Salat», wurde ich eben Richter.
Die Juristerei ist eine sehr trockene Scheibe Brot. Man muss sie sich immer ein wenig feucht halten, um nicht an Leib und Seele ästhetisch und humoristisch zu verdorren. Wer sich täglich mit dem Eisenbahnkreuzungsgesetz beschäftigt, das bis heute gilt, oder dem Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz, das leider 2013 aufgehoben wurde, der braucht Ablenkung. Man sollte zumindest zwischendurch spaßeshalber mal in die Hundewelpenfellflauschigkeitsverordnung hineinblättern. Die habe ich mir zwar nur ausgedacht, aber kein Jurist von Format würde sich wundern, wenn sie in Berlin oder Brüssel demnächst auf der Tagesordnung stünde.
Ich war zehn Jahre lang Staatsanwalt und Richter im Lüneburgischen, bevor ich mich beurlauben ließ, um mich ganz der Juristenausbildung zu widmen. Und ich liebe meinen Beruf. Trotzdem brauche ich einen Ausgleich – und der ist das Schreiben. Zwar schreiben Juristen auch viel, aber auf ihre Weise: sachlich, schnörkellos, präzise. Aber das gegenteilige Schreiben, das richtet mich innerlich immer wieder auf: unsachlich, reich verschnörkelt und abstrus-diffus.
Los ging es mit Gedichten aus dem Fach des höheren Blödsinns, mittlerweile habe ich das Kinderbilderbuch für mich entdeckt, auch wenn ich überhaupt nicht malen oder zeichnen kann. Jedes Grundschulkind hat einen saubereren Strich als ich und mehr Gespür für Proportionen. Ich hatte allen Ernstes in der Oberstufe in Kunst eine Vier. Das muss man erst einmal schaffen!
Da aber die Bilder mitunter das Wichtigste an einem Bilderbuch sind, wohingegen der Text eine eher dienende Funktion erfüllt und nach dem «Gesetz der Knackigkeit» kurz und kindgerecht zu sein hat, kann ich mich hier sprachlich austoben, bis mich meine Literaturagentin oder der Lektor zurückpfeifen. Die Bilder dazu malt dann zum Glück aller Beteiligten jemand anderes. Und es ist immer ganz wunderbar zu sehen, was die Pinselkünstler aus dem eigenen Text machen, wie sie ihn veredeln und zum Leuchten bringen.
Ich will fair bleiben: Es gibt auch im deutschen Rechtswesen immer wieder unfreiwillig aberwitzige Vorschriften. Allein ein Blick in § 328 Absatz 2 Nr. 3 Strafgesetzbuch schärft das Unrechtsbewusstsein. Demnach wird mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer eine nukleare Explosion verursacht. Und beachten Sie bei zukünftigen Wanderausflügen in größeren Verbänden bitte auch § 27 Absatz 6 Straßenverkehrsordnung. Hiernach darf auf Brücken nicht im Gleichschritt marschiert werden. Ein Meisterstück juristischer Sprachversaubeutelung konnte man lange Zeit bei § 49 der Allgemeinen Dienstanweisung der Deutschen Bundespost finden, wo es allen Ernstes hieß: «Der Wertsack ist ein Beutel, der aufgrund seiner besonderen Verwendung im Postbeförderungsdienst nicht Wertbeutel, sondern Wertsack genannt wird, weil sein Inhalt aus mehreren Wertbeuteln besteht, die in den Wertsack nicht verbeutelt, sondern versackt werden.» In seiner unbestechlichen Logik und finalen Unabänderlichkeit nicht zu übertreffen war schließlich der frühere § 26 des Landesreisekostengesetzes Nordrhein-Westfalen. Wenn ein Beamter während einer Dienstreise stirbt, war hiernach die Dienstreise – wie jetzt auch dieser Text – beendet.