Wenn die Kinder in die Pubertät kommen, ist es hilfreich, sich rückblickend bewusst mit der eigenen Pubertät auseinanderzusetzen. Denn in der eigenen unverarbeiteten Pubertätsbiografie kann der Schlüssel für heutige Ängste, Misstrauen und sogar Aggressionen liegen.
Fragen, die wir uns als Eltern stellen können, sind beispielsweise:
• Wann begann die eigene Pubertät?
• Wie hat sich die eigene Körperlichkeit angefühlt?
• Wann fand die erste Begegnung mit Alkohol, Zigaretten, eventuell auch Drogen statt?
• Was für Ängste hatte ich damals?
• Welche Grenzen habe ich überschritten?
• Haben andere meine persönlichen Grenzen überschritten?
• Wie war meine Beziehung zu den Eltern / den Geschwistern / den Lehrern?
• Konnte ich selber Eigen- und Innenraum entwickeln?
• Wie war mein Verhältnis zur Wahrheit?
• Wie habe ich meine erste große Liebe, meine ersten Erfahrungen mit Sexualität empfunden?
• Wer hat mich in Verhütungsfragen begleitet und wie?
• Wie viel Freiraum hatte ich?
• Welche Sehnsüchte habe ich in meiner Seele gehegt, vielleicht noch bis heute?
• Was hat mir als Jugendlicher gutgetan, geholfen?
• Was hätte ich mir von meinen Eltern gewünscht?
• Hatte ich Ideale oder Idole?
Der Fragenkatalog kann beliebig erweitert werden. Sich als Eltern mit diesen biografischen Fragen zu beschäftigen wirkt unterstützend auf die eigene emotionale Kompetenz, die wir entwickeln sollten, um Empathiekräfte aufzubauen, Kräfte, mit denen wir uns in unsere Mitmenschen einfühlen können. Nicht selten mischen sich in die Konflikte mit den Töchtern und Söhnen Erfahrungen auf unserem eigenen Weg in die Erwachsenenwelt, was dann zu den klassischen Projektionen führt, in denen wir unsere eigenen unerfüllten pubertären Bedürfnisse oder gemachten Erfahrungen auf den Jugendlichen übertragen.
Andererseits: Nimmt man das selbst Durchlebte als einzige Koordinate für den festzulegenden Kurs durch die Pubertät und glaubt dabei die einzige Steuerungsmöglichkeit zu kennen, kann leicht eine gewisse Schieflage oder gar ein Schiffbruch eintreten. Der Heranwachsende will den geborgenen Hafen des Elternhauses gerade verlassen und neue Ufer auf eigene Weise ansteuern. Er ist eine unverwechselbare Einzelpersönlichkeit, die sich in einer besonderen und sehr individuellen Situation befindet. Es sollte darum immer auch noch eine andere biografische Seite beleuchtet werden: das Hier und Jetzt! Wir können uns dann beispielsweise fragen:
• Wie geht es mir gerade in meiner eigenen Beziehung?
• Habe ich eine erfüllte Sexualität?
• Habe ich noch Ideale und Ziele?
• Wie fühle ich mich in und mit meinem Körper?
• Wie ist mein Umgang mit den abnehmenden Kräften?
• Habe ich ausreichend Zeit für mich selber?
Je mehr ich als Elternteil in mir ruhe oder bereit bin, mich
kritisch mit mir selbst auseinanderzusetzen, desto spannender kann die Beziehung zum Pubertierenden werden, denn spätestens jetzt haben wir es mit einem kompetenten Gegenüber zu tun, das zunehmend mehr Ich-Sinn, man könnte aber auch sagen Du-Sinn, entwickelt und dadurch Sozialkompetenz erlangt und zum Ausdruck bringen will, wenn auch manchmal noch etwas unbeholfen.