In Deutschland lebt etwa jedes zehnte Kind in einer Stief- oder Patchworkfamilie. Diese Form des familiären Miteinanders hat das Ungewöhnliche verloren, das ihm noch vor einigen Jahrzehnten anhaftete. Jede Patchworkfamilie – um diesen Aspekt einmal hervorzuheben – ist etwas Neues, und damit verbunden: eine Chance. Wenn etwas Gutes entstehen soll, ist es jedoch wichtig, dass die vorangegangene Beziehung zu einem tatsächlichen Abschluss gefunden hat.
Eine solche Trennung verläuft in mehreren Phasen. Ich möchte Ihnen die Phasen der Verarbeitung einer Trennung beispielhaft aufzeigen und daran deutlich werden lassen, welche Bewusstseinsschritte nötig sind, um besonders für die Kinder gute Übergänge zu schaffen.
In Phase 1 spreche ich von einem Trennungsschock: Das alte Leben existiert nicht mehr. Nach einem ersten Taubheitsgefühl tritt kurzfristig ein intensives Schmerzerlebnis ein, das oft mit Angstanfällen und dem Gefühl einer inneren Lähmung verbunden ist. Dieser Zustand kann dann in eine Phase des Verharmlosens übergehen, ähnlich wie bei einem Unfall, nach dem der Verletzte gern verneint, wenn er gefragt wird, ob er Hilfe benötigt. Dieses Bagatellisieren führt häufig dazu, dass man sich einredet, es werde schon «alles wieder gut». Wenn dies endgültig nicht mehr haltbar ist, tritt die dritte Phase der heftigen Emotionen ein. Das endgültige Realisieren ist verbunden mit Wut, Zorn, Misstrauen und Enttäuschung bis hin zum Kontrollverlust. Sie wirft mit Gegenständen, er sperrt das gemeinsame Girokonto – die berühmte «schmutzige Wäsche» wird gewaschen, das Ich als Regulator steht nicht mehr zur Verfügung. Es sind häufig diese «Trennungskriege», die bei Kindern zu Traumata führen.
Nun folgt oft die Zwischenphase des Feilschens und Verhandelns: Die Hoffnung, alles könne sich wieder einrenken, schützt vor dem großen Abschiedsschmerz. Können sich die Partner in dieser Phase offen begegnen, vollziehen sich häufig seltsame Wandlungen: Kurzfristige Gefühle des Verliebtseins wechseln sich mit neuerlichen Hass-Attacken ab. In der Paarberatung gilt es, diesen Moment mit viel Wachsamkeit wahrzunehmen.
In der vierten Phase der Trauer und Akzeptanz ist der tiefste Punkt der Krise erreicht. Alles Verworrene kann losgelassen werden, die Tränen können fließen. Der Verlustschmerz erreicht seinen höchsten Punkt, depressive Zustände sind häufig die Folge. Nun geht es darum, mithilfe einer bewussten Trauerarbeit eine Akzeptanz der neuen Lebenssituation zu erlangen. Das aktive Ergreifen der Gegenwart löst das Grübeln über Vergangenes ab.
In der Phase des Experimentierens ist ein neuer Freiraum entstanden. Wie in einer zweiten Jugend kann der Blick sich wieder nach außen wenden, auch wenn Rückfälle vorprogrammiert sind – ich nenne dies das «Schwungholen in der Skaterbahn». Aber dies gehört dazu, und bei genauer Betrachtung merkt man im besten Fall, dass sich die Gefühlsqualität verändert hat. In der Phase der neuen Sinnsuche und Integration tritt viel Neues ins Leben. Je nach Offenheit kann dies durch Biografiearbeit oder Therapie in die Gesamtheit des bisherigen Lebens gestellt werden. Hier taucht die wichtige Frage auf: Warum ist mir das geschehen?
Die siebte Phase ist die des neuen Entschlusses. Der Heilungsprozess ist vorangeschritten, die Wunden sind vernarbt. Es ist eine Regeneration eingetreten, der zuvor fremde Status «alleinerziehend» bzw. «alleinlebend» ist anerkannt. Neues kann entstehen.