«Ich kann nicht ohne Dich leben», schrieb sie der einen, «Du bist meine Stütze und mein Alles» der anderen, in vielen Variationen, über Jahrzehnte hinweg. Fast zwanzig Jahre lang stand Selma Lagerlöf zwischen zwei eifersüchtigen Frauen, denen sie in tiefer Freundschaft und Liebe verbunden war – und die gegensätzlicher kaum hätten sein können: Sophie Elkan und Valborg Olander.
Als Selma Lagerlöf Sophie Elkan zu Neujahr 1894 kennenlernte, war sie 35 Jahre alt und Sophie 41. Beide waren Schriftstellerinnen am Anfang ihrer Laufbahn. Selma unterrichtete bereits seit acht Jahren in der südschwedischen Kleinstadt Landskrona und kam selbst für ihren Unterhalt auf. Zu ihrer Berufung, dem Schreiben, kam sie nur nachts. 1890 hatte sie mit ihrem Roman Gösta Berling debütiert, und die Schriftstellerkollegin Sophie Elkan war auf sie aufmerksam geworden.
Elin Wägner, die erste Biografin Selma Lagerlöfs, beschrieb die Szene folgendermaßen: «Frau Elkan bewunderte den Roman, den Selma Lagerlöf vor etwas mehr als zwei Jahren veröffentlicht hatte, allerdings nicht, denn sie gehörte zur realistischen Strömung, die Gösta Berling mit Entsetzen betrachtete. Das teilte sie der Autorin mit, indem sie ihr sagte, sie würde Selma lieber mögen als ihr Buch. Eine Weile lang kam sie dann noch auf eigene Bücher und die anderer Autoren zu sprechen, dann erhob sie sich, um zu gehen. Da kam es dem originellen Fräulein Lagerlöf in den Sinn, ihren Schleier anzuheben, um zu sehen, wie sie aussah. Sophie Elkan versuchte, das abzuwehren, ach, sie sei doch durch Schlaflosigkeit hässlich und nichts zum Anschauen! Aber Selma sagte: ‹Sie sind sehr schön, und ich weiß, dass wir Freundinnen werden.›»
So nahm eine intensive, schwärmerische Freundschaft ihren Anfang, das faszinierte Kennenlernen, Einander-Erforschen und Sich-selbst-Darstellen machen die langen Briefe der ersten Freundschaftsjahre besonders interessant. Später gingen sie gemeinsam auf ausgedehnte Reisen, und Selma Lagerlöf lernte durch die Freundin eine neue Welt kennen.
Im Jahr 1897, nach dreijähriger Freundschaft mit Sophie Elkan, kam es zu einer schicksalhaften Begegnung mit der drei Jahre jüngeren Valborg Olander. Mit dieser verband Selma Lagerlöf nicht nur der Beruf (Lehrerin), sondern auch eine Kindheit in der Provinz sowie ein Schicksal, das sie zu selbstständigen, modern denkenden Frauen gemacht hatte.
Dass Selma Lagerlöfs Freundschaft zu Valborg Olander ab 1902 ebenso schwärmerisch und intensiv war wie die zu Sophie Elkan, verraten heimliche Liebesbriefe aus den Wochen oder Monaten, in denen sie mit Letzterer unterwegs war. Und bis 1921, dem Jahr, als Sophie Elkan starb, entspann sich zwischen Selma Lagerlöf und ihren beiden Freundinnen ein Dreiecksverhältnis, das seine Spuren in einer umfangreichen Korrespondenz hinterlassen hat. Sophie Elkan und Valborg Olander verehrten die gefeierte Autorin und konkurrierten um ihre Gunst.
Nachdem Valborg Olander Selma Lagerlöf beispielsweise zur Vorbereitung der Nobel-Feierlichkeiten nach Stockholm begleitet hatte, feierten sie anschließend auch noch Weihnachten zusammen. Sophie Elkans Verdruss war groß, sie fühlte sich «verraten und verlassen und wähnte sich so unglücklich, wie es einem Menschen nur möglich sei», heißt es in einem Brief aus dem Januar 1910.
Beide Frauen waren der Nobelpreisträgerin zum Überleben wichtig, jede auf ihre Weise. Die zu unserem Leseglück erhaltenen Briefe vermitteln einen Eindruck davon, wie es ihr gelang, das nicht immer spannungsarme Verhältnis auf faszinierende Weise zu gestalten.