Vier Erfahrungen gibt es laut dem Psychologen Albert Bandura, um die Selbstwirksamkeitserwartung zu steigern und die Liebe zum Neuen zu wecken:
1. Positive Erfahrung | Es beginnt schon ganz früh: Wer als Kind in der Wiege schreit und erlebt, dass daraufhin die Mutter kommt und einen in den Arm nimmt, der erlebt, selbst kaum einen Monat alt, sein eigenes Vermögen. Ich kann meine Lage verbessern, kann meine Mutter dazu bringen, mich in den Arm zu nehmen. Was erlebt demgegenüber das ungehörte Kind? Ich schreie, aber die Welt nimmt keine Notiz von mir, ich bin unwirksam. Es sind die Erlebnisse kleiner und größerer Erfolge, die das Vertrauen auf die eigene Wirksamkeit wachsen lassen. Hier braucht es keinen Zeugen, niemanden, der applaudiert, hier zählt nur die persönliche Erfahrung.
Mit meinen drei Töchtern ging ich einmal an einem Bachlauf spazieren. Da sprang die älteste über das Wasser, die zweite zögerte, schaute dann nach links und rechts und fand eine Stelle, an der sie zum Sprung ansetzte. Die kleinste presste die Lippen aufeinander, das andere Ufer schien unerreichbar. Dann sah sie den Stein im Wasser. Aus dem einen Sprung wurden zwei Schritte übers Nass. So hatten alle drei ihren Erfolg.
2. Die Beobachtung wirksamer Menschen, denen man sich ähnlich fühlt | Unter dem Stichwort der «Spiegelneuronen» wurde dieses Phänomen durch die neurobiologische Forschung in den vergangenen Jahren bestätigt. Wenn wir beobachten, wie Menschen, die uns nahestehen oder uns zumindest ähnlich sind, erfolgreich handeln, dann lernen wir ebenfalls. Es ist, als würden wir selbst das Werkzeug in der Hand halten. Wir ahmen geistig die Tat nach und schöpfen deshalb auch etwas Selbstvertrauen vom Gewinn der Tat. Wer einem anderen zeigt, wie etwas geht, sieht häufig, wie es dem anderen in den Fingern juckt, es nun selbst zu versuchen. Indem uns etwas gelingt, indem wir auf einem Feld Könnerschaft entwickelt haben, öffnen wir nicht nur uns selbst, sondern auch anderen die Tür zum Neuen.
3. Die Ermutigung durch andere | Es war in der zweiten Klasse. In einem großen Gurkenglas hatten wir Schülerinnen und Schüler lauter Münzen gesammelt. Auf dem Etikett stand «Klassenkasse». Da knallte der Lehrer klirrend den Schatz auf mein Pult und sagte: «Du zählst das jetzt – und zwar auf einen Zehner genau, das kannst du!» Es ist über vierzig Jahre her, aber ich empfinde noch heute die Woge an Zutrauen, das plötzliche Engagement in den Gliedern, das mich durchströmte. Das Vertrauen der anderen stiftet in uns Selbstvertrauen. So ist es möglich, im Gegenüber das Neue zu entfachen.
4. Die positive Interpretation körperlicher Vorgänge | Ein Schauspieler ging zu einem Arzt, weil er vor Aufführungen immer wieder an schrecklichem Lampenfieber litt. Der Puls beschleunigte sich, er begann zu schwitzen und sogar der Atem ging etwas schneller. Nun wollte er eine Therapie gegen diese Regungen seines Körpers. Anstelle eines Rezeptes sagte der Arzt: «Sie nehmen Ihr Publikum ernst, deshalb haben Sie Lampenfieber. Freuen Sie sich, dass, wenn es auf die Bühne geht, Ihr Körper so aktiv ‹mitspielt›. Dadurch gewinnen Sie die Präsenz auf der Bühne.» Sei es der Schweiß auf den Handflächen, das pochende Herz oder der Krampf in der Magengegend: Es gibt viele Formen, in denen sich körperliche Funktionen angesichts einer besonderen Herausforderung melden können. Wenn es nun aber gelingt, diese körperlichen Signale nicht als Alarmsignal gegen, sondern als Mobilisierung für das Neue zu begreifen, dann stärkt auch das die Selbstwirksamkeit. «Mein Herz pocht, die Zunge ist trocken – natürlich, so muss es sein, denn ich habe ja auch etwas Besonderes vor!»