Die Erde ist schön, und sie lebt. Sie ist weit mehr als ein Klumpen Gestein, sie ist uns weisheitsvolle, treue, fürsorgliche und oft duldsame Begleiterin. Von ihr können wir Gelassenheit und Mut lernen. Sie möchte uns zu einer gemeinsamen Entwicklung einladen und zeigt uns den Weg, auch zu uns selbst. Sie hofft, dass auch wir uns ihr liebevoll zuwenden und das Gespräch mit ihr suchen.
Im Hauptstrom der abendländischen Naturwissenschaften gilt es seit etwa 1600 als ausgemacht, dass die Erfahrungen über unsere Sinne wie etwa Farbe, Klang oder Geruch nur sehr eingeschränkt gültig sind und dass wir eigentlich nur verlässlich Auskunft geben können über das, was wir eindeutig zählen, abmessen und wiegen können. Wir sind es von daher gewohnt, unseren Sinnen zu misstrauen und den Messgeräten zu vertrauen. Unser Weltbild ist das eines zufällig aus Stoffes- und Gasmassen entstandenen Kosmos inklusive einer Erde, auf der sich dann ebenso zufällig die Arten der Pflanzen und Tiere über lange Zeiträume entwickelten, bis ganz zum Schluss – nochmal zufällig – der Mensch erschien, der jetzt möglicherweise die Erde in kürzester Zeit wieder zerstört.
Seit bald zwanzig Jahren spreche ich in geomantischen Seminaren und Vorträgen über die lebendige Erde und freue mich, wenn der Funke meiner Begeisterung auf andere überspringt. Bei vielen Menschen spüre ich eine große Sehnsucht danach, mit der lebendigen Erde in Verbindung zu kommen. Deshalb stellt sich mir die Frage: Wie können wir lernen, die lebendige Erde noch besser wahrzunehmen? Wie uns noch inniger mit ihrem Leben verbinden, dessen Teil wir als Menschen immer schon sind?
Die Geomantie ist die Erfahrungswissenschaft von der lebendigen Erde. Der Weg und die innere Haltung, selbst entsprechende Erfahrungen machen zu können, ist verbunden mit einem Erwecken der Wahrnehmung und einer Schulung, die in ein vertieftes Fühlen und Denken führt, vom Sinnlichen zum Übersinnlichen.
Ich selbst bringe aus meiner Kindheit keine Fähigkeiten der übersinnlichen Wahrnehmung mit, jedoch eine starke empathische Zuwendung für Orte, die durch Eingriffe des Menschen leiden. Schon früh hatte ich ein grundsätzliches Interesse, die Welt, in die ich hineingeboren wurde, zu verstehen. Ich habe Literatur- und Musikwissenschaften studiert und zugleich an Zusammenhängen zwischen Natur- und Geisteswissenschaften gearbeitet. Viel Aufmerksamkeit habe ich der Semiotik gewidmet, der allgemeinen Zeichentheorie. Viele weitere Zugänge sind möglich: ein Studium der Geografie, Architektur oder Landschaftsgestaltung oder der Gärtnerberuf. Die dahinterstehende Leidenschaft für die Erde ist entscheidend.
«Immer stärker greift der Gedanke um sich, dass die Natur, die Landschaft und der Raum im Allgemeinen keine bloßen Objekte sind, über die wir frei verfügen können, sondern dass sie selbst mit Leben und Bewusstsein durchdrungen sind. Ein Umdenken beginnt, auch und gerade bei all jenen, die sich weitestgehend an den ‹logischen Verstand› halten und Vorstellungen über das Wesenhafte der Natur vorschnell als ‹esoterisch› abzutun bereit sind. Es ist daher an der Zeit, Wege zu finden, die komplexen seelischen und geistigen Erscheinungen der Natur, das Lebendige, auf unser Verhalten Reagierende der Logik der modernen Weltanschauung einzugliedern … Die ökologischen Verfallsprozesse dringen immer tiefer ein in unser Leben und in die lebendige Umwelt. Rettende Maßnahmen können einen dauerhaften Erfolg nur haben, wenn jeder einzelne Mensch die veralteten Muster unserer Beziehung zur Erde und zur Natur wandelt.» Diesen Ausführungen meines Lehrers Marko Pogacnik kann ich mich nur anschließen.