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Ute Hallaschka

Jahreszeiten der Seele

Nr 220 | April 2018

Sprechen wir vom Jahreslauf, dann hat jeder sogleich Bilder vor Augen: Das allmähliche Entfalten der grünenden Blätter im Frühjahr, der strahlende Sommer kommt und geht, der goldene Herbst verwandelt die Farbwelt, der tiefe Winter hüllt alles mit Klarheit und Kälte ein. Draußen in der Natur finden wir diese Bilder nicht vereint, es sind Kunstwerke der Seele, von uns gemalt.
Der Seelenkalender von Rudolf Steiner, eine Dichtung mit 52 Wochensprüchen, beginnend mit der «Oster-Stimmung» in der Osterwoche, beschreibt die Biographie der Erde, ihren kosmischen Zeitlauf im menschlichen Erleben. Die Sprüche des Seelenkalenders erinnern in ihrer konzentrierten Poesie an Haikus – ihre sprachliche Schwingung be­flügelt das Denken.
Nun ist aus dem langjährigen Umgang mit dieser Inspirationsquelle ein malerisches Kunst­werk entstanden. Béatrice Cron, Malerin und Professorin an der Alanus Hochschule, hat 52 Bildwerke als Ausdruck einer persönlichen Jahresreise geschaffen, in denen der Betrachtende unmittelbar erfahren kann, was das Abenteuer der Kunst ausmacht.
Es sind Begegnungen von Vergangenem und Zukünftigem im konkreten Lebens­augenblick. Béatrice Cron nahm den Seelenkalender mit an alle Orte, an denen sie sich aufhielt, und lebte mit den Texten in stetiger Korrespondenz zur jeweiligen Umgebung. Auf dieser Zeitreise sind kostbare Miniaturen entstanden. Gearbeitet in der selten gewordenen Gouache-Technik, dem Auftrag von Farbpigmenten in Bienenwachslasurbinder.
Béatrice Cron ist Schweizerin, sie hat noch beim berühmten Beppe Assenza in Dornach Malerei studiert, bevor sie die eigene Lebensreise über viele Stationen bis nach Brasilien führte. Nun lebt und arbeitet sie in Alfter, in der Nähe von Bonn, reist in ihrer Kunst jedoch stetig weiter.
In ihren Bildern zum Seelenkalender sind unterschiedliche Werk­phasen sichtbar – und gerade das macht sie lebendig. Béatrice Cron hat für die vier großen Festeszeiten im Jahreslauf, Ostern, Johanni, Michaeli und Weihnachten, groß­formatige Gemälde integriert, die aus früheren Perioden stammen. Die übrigen sind kleine Formate auf Papier, das kleinste gerade mal 10 x 15 cm. Was alle eint, ist eine stimmige Farbigkeit der Poesie abstrakter Landschaften im Garten der Zeit. Kräftige Vitaleindrücke für die Seele des Betrachtenden, die dazu einladen, mit diesen Bildern im Alltag zu leben.
Die Originale waren in einer Ausstellung in Dornach am Goetheanum zu sehen. Wer diese Gelegenheit verpasst hat, kann sie sich nun nach Hause holen. Kunstdrucke sind ja meist ein Dilemma, was die Qualität der Abbildung angeht, doch wer den kleinen feinen Katalog, 52 BILDER | PICTURES, durchblättert, den Béatrice Cron erstellt hat, der kann darin eine viel­fältige Anregung des eigenen Seelenlebens wahrnehmen. Das ist ein wirkliches Vergnügen.