ANDREAS, JOHANNES, PAUL

Nr 236 | August 2019

… CHRISTA UND NANA. Fünf Freunde – zwei Holländer, zwei Deutsche und ein Engländer – waren im Frühjahr 1976 im Auto von Holland nach Stuttgart aufgebrochen, um mit einem sechsten Freund – einem weiteren Andreas – zusammen bei den Damen und Herren des «Haager Kreises», der Internationalen Konferenz der waldorfpädago­gischen Bewegung, vorstellig zu werden. So könnte die Geschichte auch erzählt werden, nur dass der Name des Engländers nicht Johannes, sondern die französische Form hatte und noch dazu einen römischen Zusatz. Sie wollten von ihrer Intention berichten, etwas für die Förderung eines weltweiten freien Schulwesens zu unternehmen.
Nur wenige Wochen nach der feierlichen Eröffnung der ersten Waldorfschule in Stuttgart für die Kinder der Arbeiter der Waldorf-Astoria-Zigarettenfabrik am 7. September 1919 hatte Rudolf Steiner einige Male darauf hingewiesen, dass diese Gründung schön und gut sei, dass aber für die Welt damit noch wenig getan sei. Es müssten, so meinte er, in wenigen Monaten zehn und mehr solcher Schulen entstehen, wenn für den Gang der gesellschaftlichen Entwicklung nachhaltig Fruchtbares gedeihen solle. Noch wichtiger als die Gründung einiger weniger Waldorfschulen sei es aber, ein Verständnis für die Notwendigkeit eines wirklich freien Schulwesens in der Welt unter den Menschen zu wecken. Dafür könnte ein «Weltschulverein» aktiv werden – wenn nur eine genügend große Anzahl Menschen für diese Idee gewonnen werden könnte.
Nana Göbel, unsere Gesprächspartnerin in diesem Monat, hatte ich im Oktober 1975 in Den Haag bei der ersten «Internationalen Tagung der Waldorfschüler und Ehemaligen» an der 1923 gegründeten ersten nieder­ländischen Waldorfschule, der Vrije School, kennengelernt. Wir waren beide erst neunzehn Jahre alt, ein Alter, von dem Stephen King in der Einleitung seines Romanzyklus Der Dunkle Turm sagt: «Pass auf, Welt, ich rauche TNT und trinke Dynamit, und wenn dir dein Leben lieb ist, geh mir aus dem Weg – hier kommt Stevie.»
Die Welt wollten wir allerdings nicht in die Luft jagen, aber verändern durchaus – und vor allem etwas für die freie Entfaltung des Menschen tun. Wenn aber etwas von dieser Kraft des King’schen Neunzehnjährigen zu spüren war, dann unbedingt bei der rothaarigen Nana. Ich hingegen fiel nur dadurch auf, wie sie mir später in Erinnerung rief, dass ich bei einem Plenum auf dieser Tagung ein Exemplar der Bibel aus der Tasche zog, um etwas aus dem Johannesevangelium zu zitieren. Aber aus dieser Begegnung der sechs Freunde entstand schließlich die Keimzelle für die Gründung der Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners im Herbst 1976. Dreiundvierzig Jahre lang also ist Nana Göbel beherzt und unermüdlich für die Förderung von Waldorfschulen und -Kindergärten weltweit tätig – und somit auch für ein freies Bildungswesen. Das ist ein Grund zur Freude! Mögen viele Menschen diese Freude im Wirken für die freie Entfaltung des Menschen miterleben.

Von Herzen grüßt Sie,
Ihr
Johannes Lin