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Birte Müller

Häkeln hilft gegen Handys

Nr 237 | September 2019

Mobiltelefone sind wirklich eine Pest! Kaum einer, der nicht infiziert ist von der ständigen Aufs-Handy-Guckerei. Als mein Smartphone neu war, nutzte ich begeistert kleine Zeitfenster in der S-Bahn oder an der Bushaltestelle, um etwas von meinem lästigen E-Mail-Berg abzuarbeiten oder ein paar Fotos herumzuschicken, statt wie sonst einfach zu häkeln. Auch beim Finden von Wegen lief ich dank Google Maps nur noch die ersten 20 Meter in die falsche Richtung – den Blick immer stramm aufs Display gerichtet.
Da ich jemand bin, der immer gerne etwas mit den Händen macht, holte ich aber bald mein Handy andauernd aus der Tasche, sogar beim Warten an der Kasse oder während mein Sohn Willi auf der Toilette saß. Sogar auf kurzen Fußwegen warf ich einen Blick darauf: Wie spät ist es? Wie wird das Wetter morgen? Weiß Matthias schon, wann er nach Hause kommt? Und sobald man die Facebook-App öffnet, ist man ohnehin verloren, denn jeder Kommentar führt zu neuen Nachrichten darüber, dass jemand deinen Kommentar kommentiert hat, der wiederum kommentiert wurde, worüber man benachrichtigt wird ...
Was mir zuerst wahnsinnig effektiv erschien, stellte sich als wahrhaft kontraproduktiv heraus. Nicht nur, dass ich beim ach so zeitsparenden Arbeiten in der U-Bahn öfter mal in die falsche Richtung fuhr, in meiner wirklichen Arbeitszeit saß ich bald am Schreibtisch und mir fehlten die Ideen. Dabei hatte ich sonst eher das Problem, mehr Einfälle zu haben als Zeit, sie umzusetzen!
Es dauerte etwas, bis ich verstand, was das Problem war, denn ich hatte mich ja früher auch schon immer gerne nebenbei beschäftigt. Aber es gibt eben einen großen Unterschied zwischen Häkeln und Handybenutzung.
Ich lasse mit dem Smartphone in der Hand meine Gedanken nicht mehr schweifen und nehme meine Umwelt nicht mehr bewusst wahr. Ich lenke mich dauerhaft ab. Genau umgekehrt ergeht es mir mit routinierten Handarbeiten oder einem Spaziergang ohne Google Maps vor Augen. Andere erleben dasselbe Phänomen beim Kochen oder Joggen: Man kann besonders gut dabei nachdenken. Eben weil man etwas Automatisiertes tut, ist man im Kopf offen für neue Ideen oder auch konzentriertes Zuhören. Ich kann auf jeden Fall strickend der Handlung eines Krimis im Fernsehen deutlich besser folgen als Matthias ohne Strickzeug!
Für mich hat meine Handarbeit jetzt eine zusätzliche und wichtige Funktion bekommen: Sie hält mich davon ab, ständig nach meinem verdammten Handy zu greifen!


Handyhülle
Für die Handyhülle habe ich mit einer Luft­maschenreihe angefangen, dann einfach immer rundherum gehäkelt und meiner Fantasie freien Lauf gelassen. Dass die Handyhülle schließlich ein rosa Kaninchen wurde, darüber sollte ich aber vielleicht mal nachdenken …
Anfangs habe ich das Häkelteil immer wieder ans Telefon angepasst und genau so viele Maschen zugenommen, dass die Hülle gut anliegt und nicht zu lose ist. Denn auch wenn mein Telefon mich oft nervt, herausfallen und kaputtgehen soll es trotzdem nicht!