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Birte Müller

Schöner Schrott!

Nr 240 | Dezember 2019

Mit unserer zehnjährigen Tochter Olivia habe ich in diesem Herbst am globalen Klima­streik teilgenommen. Wir waren in Hamburg 70.000 Menschen auf der Straße, rund 1,4 Millionen sollen es in ganz Deutschland gewesen sein. Ein sehr be­wegender Tag. Am Abend sahen wir uns die Tagesschau im Fernsehen an, und als die Bundesregierung das neue Klimaschutzpaket vorstellte, sprang Olivia jubelnd auf dem Sofa herum und rief: «Das haben WIR geschafft. Wir alle!» Sie hat ja noch keine Ahnung von Politik.
Ach, wäre es doch nur so einfach in unserer Welt: Die Menschen gehen auf die Straße, am selben Tag leitet die Regierung einen «Kurswechsel» ein und alles wird gut! Es tat mir so leid, dass ich Olivia erklären musste, dass die Worte zwar so klängen, als würden der Staat nun alles nur irgend Mögliche unternehmen, um die Klimaschutzziele einzuhalten, aber dass das Gesagte leider überhaupt nicht genug ist. Natürlich kann Politik viel bewegen, aber solange wir keine weltweite «Ökodiktatur» haben, hängt es an jedem Einzelnen von uns, dass sich etwas verändert. Selbst der größte gesellschaftliche Wandel beginnt mit den kleinen Schritten der Menschen, die in ihr leben. Einweggeschirr muss nicht erst verboten werden, wir müssen konsequent aufhören, es zu benutzen. Auch Olivia muss lernen, dass es zwar bequem ist, bei Regen im Auto zur Freundin gefahren zu werden, aber genau das kann einer der Beiträge unserer Kinder zum Umweltschutz sein: weg von der Bequemlichkeit – hin zum Handeln!
Klimaschutz bedeutet aber auch, anders zu konsumieren – und vor allem auch weniger. Das hört an Weihnachten kein Kind gerne. Schenken ist ja im Prinzip eine tolle Sache, aber der allgemeine Schenkzwang zu Weihnachten – sogar unter Erwachsenen – kotzt mich an: Er stresst uns alle und ist die reinste Geld-, Zeit- und Ressourcenverschwendung. Außerdem, um mir neue Dinge hinzustellen, müsste ich ältere, noch funktionierende wegwerfen. Genau das mag ich ja nicht, wie ich das Jahr über hier immer mal wieder geschrieben habe.
Unser Sohn Willi zeigt uns erneut, wie es geht: Um ihn mit einem Gegenstand glücklich zu machen, packe ich einfach sein aktuelles Lieblingsspielzeug ein! Geschenke müssen auch für mich nicht neu sein. Meine Schwester überreicht mir an Weihnachten alljährlich ihre Lieblingshörbücher: bestes Geschenk! Meinem Mann macht man die meiste Freude, wenn man Dinge aussortiert, statt neue zu horten. Ihm zuliebe hat Olivia ihre im Wohnzimmer gelagerte Sammlung gefundener Steine und Gedöns entsorgt. Weil sie aber auch nicht gerne wegwirft, haben wir einen beträchtlichen Teil ihrer Schätze zu – Weihnachten naht – Adventskränzen umrecycelt. Was wiederum super Geschenke werden … Und das sind einem ja die Liebsten, die den Schrott, den sie selbst nicht mehr wollen, schön an andere verschenken! Aber ich finde, die Dinger sehen echt toll aus. Und wenn die Kerzen heruntergebrannt sind, darf man sie getrost in den Müll werfen. Ich hoffe, ich schaffe das!

Schrottadventskranz: Auf einen großen Teller haben wir einen Ring aus Modellgips gespachtelt. Zuerst haben wir die Kerzen in den Gips gedrückt, und dann hat Olivia in Rekordtempo Steine, Schrauben, Muscheln und allerhand anderes Zeug hineingedrückt. Der Gips bindet nach 10 bis 15 Minuten ab, dann geht nichts mehr. Schon am nächsten Tag kann man den Kranz vorsichtig vom Teller nehmen.

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